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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
Autoren: Charles Bukowski
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Ich stürmte auf die beiden zu. Kong erwartete, dass ich wieder einen hohen Satz machen würde. Also tauchte ich diesmal ab und säbelte ihm die Beine weg. Er knallte mit dem Gesicht ins Gras. Er blieb wie betäubt liegen und streckte die Arme von sich. Ich rannte zu ihm hin, kniete mich auf ihn, drückte ihm von hinten den Hals zu und rammte ihm mein Knie ins Kreuz. »Hey, Kong. Alles in Ordnung, Kumpel?«
    Die anderen kamen angerannt. »Ich glaub, er hat sich weh getan«, sagte ich. »Komm, hilf mir mal einer. Wir müssen ihn vom Platz schleppen.«
    Stapen stützte ihn von der einen Seite, ich von der anderen, und so führten wir ihn zur Seitenlinie. Kurz davor täuschte ich ein Stolpern vor und trat ihn dabei voll an den Knöchel. »Oh laß mich doch in Ruhe«, sagte Kong. »Ich helf dir doch nur, Kumpel…« Als wir ihn an der Seitenlinie hatten, ließen wir ihn fallen. Er hockte da und wischte sich das Blut vom Mund. Dann griff er nach unten und betastete seinen Knöchel, der aufgeschürft war und bald anschwellen würde. Ich beugte mich zu ihm herunter. »Hey, Kong. Komm, machen wir das Spiel zu Ende. Wir liegen 7:42 hinten und brauchen ‘ne Chance, damit wir aufholen können.« »Nee, ich hab jetzt gleich ‘n Kurs.« »Ich hab gar nicht gewusst, dass man hier auch Hundefänger lernen kann.« »Es ist English Lit I.«
    »Is ja praktisch dasselbe. Na schön, dann helf ich dir jetzt rüber in die Turnhalle und stell dich unter die Dusche. Was meinst du?« »Nee, bleib mir bloß weg.«
    Kong stand auf. Er war ziemlich übel zugerichtet. Die gewaltigen Schultern hingen schlaff herunter, und sein Gesicht war verschmutzt und blutig. Er humpelte ein paar Schritte. »Hey, Quinn«, sagte er zu einem aus seiner Mannschaft, »hilf mir mal…«
    Quinn packte ihn am Arm, und sie gingen langsam übers Spielfeld zur Turnhalle.
    »Hey, Kong!« schrie ich ihm nach. »Ich hoffe, du kommst nicht zu spät zu deinem Kurs! Sag Bill Saroyan einen Gruß von mir!«
    Die anderen standen um mich herum. Einschließlich Baldy und Ballard, die von der Tribüne
heruntergekommen waren. Da hatte ich nun meine beste Vorstellung aller Zeiten gegeben, und
weit und breit war kein hübsches Girl zu sehen.
»Hat jemand was zu rauchen?« fragte ich.
»Ich hab ein paar Chesterfields«, sagte Baldy.
»Rauchst du immer noch diese Weiberzigaretten?« fragte ich.
»Ich nehm eine«, sagte Joe Stapen.
»Na schön«,sagte ich, »wenn’s nichts anderes gibt…«
Wir standen da und rauchten.
»Wir sind immer noch genug für ein Spiel«, sagte einer.
»Scheiß drauf«, sagte ich. »Ich kann Sport nicht leiden.«
»Na, diesem Kong hast du’s aber gegeben«, meinte Stapen.
»Yeah«, sagte Baldy, »ich hab alles gesehen. Nur eins ist mir jetzt nicht mehr so klar.«
»Was denn?« fragte Stapen.
»Ich weiß nicht, wer von den beiden der Sadist ist.«
»Tja«, sagte ich, »ich muss wieder los. Heute Abend zeigen sie einen Cagney-Film, da nehm
ich meine Ische mit.«
Ich ging über den Platz davon.
»Du willst sagen, du nimmst deine rechte Hand mit ins Kino, was?« schrie mir einer der Kerle
nach.
»Alle beide«, rief ich über die Schulter nach hinten.
    Ich ging vom Platz, am Chemie-Gebäude entlang und über die große Rasenfläche des Campus. Da saßen sie, die Boys und Girls, auf Bänken, unter Bäumen oder im Gras. Mit ihren grünen und blauen und braunen Büchern. Sie unterhielten sich, lächelten einander an, lachten ab und zu. Ich ging hinüber zur Endstation der Linie »V«. Ich stieg ein, löste einen Fahrschein, setzte mich wie üblich in die letzte Reihe und wartete.

    58

    Zur Vorbereitung auf mein weiteres Leben hielt ich mich an manchen Tagen schon mal im Pennerviertel auf. Es gefiel mir nicht, was ich dort zu sehen bekam. Diese Männer und Frauen zeichneten sich weder durch Courage noch durch besonderen Einfallsreichtum aus. Sie wollten dasselbe wie alle anderen. Es gab auch einige, die eindeutig klinische Fälle waren und frei herumlaufen durften. Es war mir schon aufgefallen, dass in den untersten und obersten Schichten der Gesellschaft die Irren oft ungeschoren blieben. Ich wusste, dass auch ich nicht ganz bei Verstand war. Schon seit meiner Kindheit war mir klar, dass an mir irgend etwas seltsam war. Ich hatte das Gefühl, als sei ich dazu bestimmt, entweder ein Mörder, Bankräuber oder Frauenschänder zu werden oder ein Heiliger, ein Mönch, ein Einsiedler. Ich musste dringend einen Ort finden, wo ich ungestört blieb. Ein Leben bei den
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