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Das Schlangental - Neal Carey 3

Das Schlangental - Neal Carey 3

Titel: Das Schlangental - Neal Carey 3
Autoren: Don Winslow
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Himmel, mehr als seine Freiheit. Und so wurde die größte Freude seines Lebens auch sein größtes Unglück – er war dem verhaßten L. A. durch eine Fessel der Liebe verbunden. Gefangen durch die vierzehntäglichen Wochenenden und den einen Monat im Sommer, die der Richter ihm zugestanden hatte, als wäre das ganze eine Gameshow, was es auf seine Art auch war.
    Ironischerweise konnte Anne jetzt, wo sie nicht mehr mit ihm verheiratet war, auch die Statusleiter hinuntersehen und ihm Arbeit besorgen. Sie verschaffte ihm einen Auftritt als Stunt-Cowboy auf einer der Studio-Touren. Künftig setzte der echte Cowboy Harley McCall fünfundzwanzigmal die Woche einen schwarzen Hut auf und zog sich eine schwarze Weste an, stand hinter dem Geländer einer Saloon-Fassade, schoß mit Platzpatronen auf den Sheriff, wurde erschossen und stürzte hinab auf die Getreidesäcke eines Pferdewagens, der glücklicherweise gerade direkt vor dem Geländer stand. Alles zum Vergnügen der Touristen, die von der Aussichtsplattform herüberschauten.
    Es war langweilig, erniedrigend, schlecht bezahlt. Immerhin konnte er sich so die Miete für seinen kleinen Bungalow in Venice leisten und den Pick-up für die Fahrten alle vierzehn Tage nach Malibu, um seinen Sohn abzuholen.
    Harley gab sich alle Mühe, es auszuhalten. Doch eines Tages wurde er vom Sheriff erschossen, faßte sich mit der einen Hand an die Brust, kippte über das Geländer und hob den Mittelfinger der rechten Hand in Richtung des Sheriffs. Er hielt die Geste den halben Sturz bis auf die Getreidesäcke durch, aber die Touristen auf der Aussichtsplattform waren nicht sonderlich amüsiert, und er wurde gefeuert.
    Danach waren es immer lächerlichere Jobs, jeder kürzer als der vorige. Seine süße Cowboy-Tour wurde abgestanden und bitter wie die Abgase, die über dem Sunset Strip hingen. Er wurde erst zynisch, dann bösartig. Er kündigte öfter, als er gefeuert wurde, jedesmal nahm er mit seinem letzten Sold auch ein neues Vorurteil mit auf den Weg. Er war mit nichts mehr zufrieden, fügte der immer länger werdenden Liste von Dingen, die er sich »einfach von niemandem mehr bieten lassen« würde, immer mehr hinzu.
    Es war ein Wunder, daß Harley überhaupt noch aufrecht gehen konnte, soviel Groll war in ihm gewachsen. Filmproduzenten, Filmkritiker, Studio-Leiter, Chefs überhaupt, Vermieter, Bankiers, Rechnungseintreiber, Cops, Ladenbesitzer, Barbesitzer, Frauen, Juden, Schwarze, Mexikaner, Koreaner, Huren, Spitznasen, Nigger und Schlitzaugen – sie alle hatten sich verschworen, ihm das Leben zur Hölle zu machen und ihn daran zu hindern, seinen Sohn so groß zu ziehen, wie ein Mann seinen Sohn großziehen sollte.
    Er kehrte wieder zur Flasche zurück, und die behandelte ihn, wie eine Frau ihren treulosen Mann behandelt – sie nahm ihn bei sich auf und bestrafte ihn täglich. Er war mittlerweile eine bekannte Figur auf dem Venice Boulevard geworden: Ein Straßenrand-Cowboy mit drei-Tage-Stummeln im Gesicht, dem ein steter Hasserfüllter Strom aus dem Maul sprudelte. In einer besonders mißlungenen Nacht ließ er sich tätowieren, ließ sich einen dieser peinlichen »Mach mich nicht an«-Sprüche mitsamt Flagge und Schlange auf dem linken Unterarm einritzen.
    Aber als er eines Freitagabends betrunken bei Anne Kelley auftauchte, trat sie ihn. Sie sagte, sie würde ihm in seinem Zustand den achtzehn Monate alten Cody nicht mitgeben. Harley versuchte, ihre Tür einzutreten, und es gelang ihm immerhin, ein Fenster einzuschlagen, bevor die Cops kamen. Sie verhafteten ihn, er kassierte dreißig Tage wegen Ruhestörung, und Anne erreichte eine gerichtliche Anordnung, die ihm untersagte, Cody den einen Monat im Sommer zu sich zu nehmen.
    Harley verschwand. Anne wußte nicht, wohin, oder was mit ihm geschehen war, aber ungefähr sechs Monate später rief er sie an. Er klang ruhig und gesammelt. Freundlich, sein altes Selbst. Er fragte, ob er rüberkommen und mit ihr reden könnte. Sie traf sich im Büro mit ihm und es war, als begegnete sie der geläuterten Version desjenigen, der er mal gewesen war. Er war sauber, ordentlich angezogen und beinahe schmerzhaft nüchtern. Er entschuldigte sich dafür, so ein Arschloch gewesen zu sein, erklärte, daß er jetzt besser drauf wäre, daß er Arbeit als Betreuer einer Bewässerungsanlage im East Orange County hatte, und er fragte, ob er den kleinen Cody sehen könnte.
    Sie lud ihn zu sich nach Hause ein. Sie mußte weinen, als sie sah, wie Cody
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