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Das Schiff der Hoffnung

Das Schiff der Hoffnung

Titel: Das Schiff der Hoffnung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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meinte Kraicic.
    »Aber wenn er die ganze Nacht bleibt?«
    »Dann bleibt er eben.«
    »Herr Professor …«
    »Vergessen Sie's, Schwester. Gute Nacht!«
    Und Karl Haußmann blieb auf dem Zimmer.
    Bei der Visite am nächsten Morgen sah Kraicic lange auf Erika herunter, die – so war die Anordnung – bei der Visite noch zu Bett lag.
    »Wie fühlen Sie sich, Erika?« fragte der Professor vertraulich.
    »Sehr gut.« Erika wurde etwas rot und sah zur Seite. Kraicic lächelte.
    »Ab heute haben Sie alle Rechte einer Gesunden«, sagte er laut. »Die Heilung ist vollendet …«
    Die Proteste gegen das Verbot des HTS hatten vollen Erfolg. Die Abordnung der Kranken, die Tito persönlich vorließ, hinterließ einen großen Eindruck. Die Ärzteschaft, so schwer es ihr fiel, mußte zugeben, daß an dem Mittel des Dr. Zeijnilagic etwas Gutes dran sei. Man könne zwar von keinem ›Krebs-Wundermittel‹ reden, denn so etwas würde es nie geben, aber das HTS wäre eine gute Hilfe bei der symptomatischen Behandlung des Krebses. Das war zwar eine Abwertung und hieß soviel wie: Es nutzt nichts, aber es schadet auch nicht, aber die Fabrik Bosna-Lijek durfte produzieren; der Makel des Scharlatans war von Dr. Zeijnilagic genommen; die Krankenhäuser in vielen Staaten begannen mit Versuchsreihen; die Wissenschaft, die sonst alle Außenseiter ignoriert, nahm sich das HTS an und machte Experimente … aber von da an wurde es stiller um Dr. Zeijnilagic; das ›Schiff der Hoffnung‹ wurde wieder ein normales Fährschiff zwischen Bari und Dubrovnik, die Hotels in Sarajewo hatten wieder Zimmer zu jeder Zeit frei, und die Journalisten reisten ab, um in anderen Teilen der Welt nach Sensationen zu suchen.
    Die große Schau war vorbei. Das Geschäft mit den Kranken ging rapide zurück. Der Reiz der Neuheit verblaßte. Das Ungewöhnliche verblühte. Übrig blieb ein Heilmittel, das ein Chemiekonzern herstellte wie andere Pyramidon oder Calcium; das man in die Hand bekam, ohne dafür ein Abenteuer zu erleben. Das ›Wunder‹ wurde Alltag. Und der Name Dr. Zeijnilagic wurde vergessen.
    Wenn man heute einen Arzt fragt, in Bonn oder Hamburg, München oder Offenburg, London oder Kopenhagen: Kennen Sie Dr. Zeijnilagic, dann wird er einen nachdenklich ansehen, in der Erinnerung suchen und dann den Kopf schütteln.
    Strohfeuer einer Tagessensation oder Tragik eines Genies?
    Wer kann das beurteilen?
    Wir wissen nur eins: In aller Welt warten Millionen Krebskranke auf ihre Rettung.
    Millionen hoffen.
    Millionen sterben.
    Jeder fünfte von uns stirbt an Krebs.
    Warum ist die Menschheit nur so gleichgültig …?
    Dr. Zeijnilagic trug diese Entwicklung mit der Ruhe des echten Moslems, dem alles Schicksal von Allah gesandt ist, eine göttliche Fügung, gegen die man sich nicht auflehnen kann. Er forschte weiter, er behandelte seine Zahnkranken, hielt Vorlesungen in der zahnärztlichen Fakultät, gab das HTS den wenigen Bittenden, die noch immer an seine Tür in der Obala-Straße 40, nahe der Princip-Brücke, klopften und sagten: »Bitte, bitte, helfen Sie mir. Mein Vater … meine Mutter … meine Schwester … mein Kind … Erbarmen Sie sich, Doktor …«
    Aber es waren nicht mehr viele. Die Nachricht über das Verbot war stärker haftengeblieben als die Meldung der Wiederfreigabe. Das Verbot brachten die Zeitungen in zwei-, drei-, oder gar vierspaltigen Artikeln … die Freigabe war eine kleine Meldung irgendwo am Rande, wo man drüber wegliest.
    »Was wollen Sie?« sagte Dr. Zeijnilagic, als sich Hellberg über diese Ungerechtigkeit aufregte. »Es steht dort veröffentlicht. Wenn mein HTS statt langsamer Heilungen plötzlich hundert Vergiftungstote gebracht hätte, dann stünde es wieder auf der Titelseite. Das Normale, mein Lieber, ist uninteressant.«
    Er sagte es mit einem traurigen Lächeln, rauchte seine Zigarette und trank Tee.
    Hellberg und Claudia verabschiedeten sich von ihm. Zwei Tage vorher hatte es ein Zusammentreffen zwischen Haußmann und Hellberg in Sarajewo gegeben. Da Frank nicht nach Mostar gekommen war, reiste Haußmann nach Sarajewo.
    Sie trafen sich in der Bar des Hotels Europa. Nur sie allein … Erika war in Mostar geblieben und hörte sich die Komplimente von Lord Rockpourth an; Claudia blieb im Hotel Beograd und saß auf dem Balkon unter einem Sonnenschirm.
    »Guten Tag, Frank«, sagte Haußmann und gab Hellberg die Hand.
    »Guten Tag, Herr Haußmann.«
    Sie sahen sich in die Augen und wußten, daß dies ihre letzte Begegnung
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