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Das Schiff der Hoffnung

Das Schiff der Hoffnung

Titel: Das Schiff der Hoffnung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wolken entgegen.
    Erika lehnte den Kopf an Karls Schulter und sah hinaus in das endlose Blau, in das sie hineinschwebten.
    »Venedig …«, sagte sie. »Morgen sind wir in Venedig. Der Lido … der Markusplatz …«
    »… der Campanile … der Canal Grande … Santa Maria della Salute … der Markt in Chioggia … die Glasbläser von Murano … der Dogenpalast …«
    »Ich komme mir vor, als sei ich zwanzig«, sagte Erika leise und tastete nach Karls Hand. »Wir machen unsere Hochzeitsreise.«
    »Und wir fangen unsere Ehe wieder ganz von vorn an.«
    »Ja, Karl.«
    Sie küßten sich und kümmerten sich nicht um die anderen Fluggäste.
    Hochzeitsreisende dürfen das. Sie haben die Freiheit der Glücklichen.
    Am 12. September rollte ein fahrbares Bett lautlos auf Gummirädern über den Flur zum Aufzug und hinunter zum OP II der I. Chirurgischen Klinik in Heidelberg.
    Im Vorraum warteten die Ärzte und Schwestern. Der Anästhesist hatte Claudia Torgiano schon auf dem Zimmer eine Beruhigungsinjektion gegeben. Im Halbschlaf merkte sie kaum, daß sie weggefahren wurde, daß Frank Hellberg bis zum Aufzug neben ihr herging und ihre schlaffe Hand hielt.
    Die elektrische Uhr über dem OP zeigte 9.30 Uhr.
    Das Operationsteam wartete auf Professor Dr. Seidler. Er nahm den Eingriff selbst vor, zusammen mit Dozent Dr. Battenberg.
    Zehn Tage lang hatte man Claudia nach allen Regeln ärztlicher Kunst untersucht, beobachtet und auf die schwere Operation vorbereitet. Professor Dr. Seidler hatte etwas Erstaunliches zu Frank Hellberg gesagt:
    »Ich bin ehrlich … von dem HTS halte ich gar nichts! Man kann mit einem solchen Mittel nicht einen manifesten Tumor auflösen! Das ist Quatsch! Aber ich gebe zu, daß sich, entgegen unseren Befürchtungen, keine sichtbaren Metastasen gebildet haben. Das ist bei Lungenkrebs verblüffend.«
    »Das HTS, Herr Professor«, sagte Hellberg fest.
    »Man muß sich einmal damit beschäftigen.« Professor Seidler sah Hellberg hinter blitzenden Brillengläsern an. »Sie haben mit diesem serbischen Arzt gesprochen. Wenn wir einmal länger Zeit haben, wäre es nett, wenn Sie mir von ihm erzählen könnten. Man soll an gewissen Zeichen nicht vorbeigehen … vielleicht weisen sie wirklich einen noch unbekannten Weg …«
    Nun war es soweit. Claudia lag im Vorbereitungsraum. Noch einmal wurden Herz und Blutdruck kontrolliert, zwei Schwestern entkleideten sie und hüllten sie in angewärmte, sterile Tücher. Im OP machte der Anästhesist den komplizierten Narkoseapparat einsatzfertig. Die OP-Oberschwester überblickte noch einmal das ausgelegte chirurgische Besteck auf dem Nebentisch.
    9.37 Uhr. Professor Dr. Seidler betrat den OP-Trakt. Er hatte auf dem Flur kurz Hellberg die Hand gedrückt. »Kopf hoch!« hatte er gesagt. »Und stehen Sie nicht hier rum. Gehen Sie gegenüber ins Café. Ich lasse Sie rufen, wenn alles vorbei ist. Es kann drei Stunden dauern …«
    »Alles klar?« fragte Seidler. Der II. Oberarzt nickte. Im OP I wurde der Boden geschrubbt. Dort war eine Gallenoperation schon beendet. Auf der schwarzen Tafel für OP I stand als nächstes eine eingeklemmte Hernie. Routine-Arbeit.
    Professor Seidler betrat den Vorbereitungsraum von OP II. Claudia lag auf dem OP-Tisch, in Seitenlage, und wurde narkotisiert.
    »Befinden?« fragte Seidler kurz und zog den Rock aus. Er trug ein Hemd mit kurzen Ärmeln. Eine Schwester kam von hinten, band ihm den sterilen OP-Kittel um, eine andere hielt die Gummischürze bereit. Seidler trat an sein Waschbecken und begann mit den Abschrubben seiner Hände und Unterarme. Dabei sah er durch das breite Fenster hinein in den OP.
    »Befinden gut.« Dozent Dr. Battenberg war schon operationsbereit. Mit Kappe und Handschuhen, die Hände von sich gestreckt, stand er da. Den Mundschutz hatte er noch am Kinn baumeln.
    »Machen Sie schon auf, Battenberg«, sagte Seidler. »Ich komme, wenn wir am Rippenfell sind.«
    Dr. Battenberg betrat den OP. Der Anästhesist nickte zufrieden. Alles normal.
    Von den Wänden traten die Assistenten heran, die OP-Schwestern nahmen die Plätze ein.
    Lobektomie stand draußen auf der schwarzen Tafel.
    Im OP II keine Sensation. Nur für den Laien eine mystische Handlung, etwas Gottbegnadetes.
    Dr. Battenberg sah auf den eingezeichneten Operationsraum auf dem Rücken Claudias. Er streckte die Hand aus. Das Skalpell wurde zwischen seine Finger geschoben.
    Der erste Schnitt in die Haut.
    Ein weiterer Bogenschnitt.
    Der Kampf um das Leben Claudias begann.
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