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Das Schiff der Hoffnung

Das Schiff der Hoffnung

Titel: Das Schiff der Hoffnung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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senkte den Kopf, tastete nach Erikas Hand und hielt sie fest. Eine schlaffe, weiße, kraftlose Hand.
    »Sie wird warten, bis sie grün ist«, sagte er rauh. »Wir werden erst alles tun, daß du gesund wirst. Ich rufe jetzt einen Arzt.«
    »Nein, keinen Arzt. Bitte, keinen Arzt.« Erika versuchte, ihren Mann am Rock festzuhalten, aber er war schon aufgesprungen und ging zum Telefon. »Keinen Arzt!« rief sie verzweifelt. »Ich habe doch nichts! Ich habe mir doch nur gestern den Magen verdorben an den fetten Oliven. Ruf keinen Arzt. Karl. Bitte!«
    »Auch ein verdorbener Magen braucht einen Arzt«, sagte Haußmann. Er ließ sich jetzt nicht mehr abhalten. Er rief die Rezeption an, bat um einen guten Arzt auf Zimmer 112 und bestellte eine Tasse Pfefferminztee. »Der ist gut bei verdorbenem Magen«, sagte er, als Erika den Kopf schüttelte. »Meine Mutter kochte ihn auch immer.«
    Es dauerte nicht lange, bis es klopfte. Ein junger, schwarzhaariger, eleganter Mann trat ein, eine flache Tasche in der Hand, und stellte sich vor.
    »Dr. Borgoporte.« Er sprach ein gutes Deutsch, und später stellte sich heraus, daß er drei Semester in Erlangen studiert hatte.
    »Meine Frau«, sagte Karl Haußmann. »Der Magen oder der Bauch. Sie klagt schon seit längerer Zeit darüber. Eben hatte sie einen Anfall, wie einen Krampf.«
    »Mein Mann übertreibt maßlos.« Erika lag tief atmend auf dem Bett und versuchte zu lächeln. »Es ist nur eine Magenverstimmung, Doktor. Die fremde Ernährung, die Umgewöhnung …«
    »Wir wollen sehen.« Dr. Enrico Borgoporte setzte sich neben Erika auf das Bett, schob das Hemd hinauf und tastete ihren schmalen Leib ab. Dort, wo auch Erika den vermeintlichen Kloß gespürt haben wollte, blieben seine Hände liegen und drückten vorsichtig den Bauch in kleinen Quadraten ab. Seinem Gesicht war nicht anzumerken, was er in diesen Augenblicken dachte. Er tastete höher, zum Magen, palpierte die Rippen, ließ Erika sich herumdrehen und hörte Lunge und Atmung ab. Aber sie wußte, daß er dies nur zu Ablenkung tat und daß seine Diagnose längst feststand.
    »So ist gar nichts zu sehen«, sagte Dr. Borgoporte. »Einige Hautverschiebungen, eine leicht gespannte Bauchdecke. Ich schlage vor, Sie fahren mit mir in die Praxis, und ich mache einige Röntgenaufnahmen. Ich habe eine moderne Einrichtung, es dauert nicht länger als eine halbe Stunde.«
    Er lügt, dachte Erika und beobachtete Dr. Borgoporte, wie er sich die Hände wusch. Er weiß genau, was in meinem Leib wächst und wächst und mir eines Tages das Leben abdrückt. Gut, lassen wir ihn die Röntgenaufnahmen machen. Ob er Karl dann die Wahrheit sagt?
    Und was geschieht dann?
    Mehr getragen, als selbst gehend, verließ Erika am Arm der beiden Männer das Hotel und fuhr in die Praxis Dr. Borgoportes. Dort mußte sie sich auf einen Röntgentisch legen, die Fotoplatten wurden ihr untergeschoben, und dann wurde ihr Leib geröntgt, in drei Ebenen – von oben, von der Seite und vom Rücken aus.
    »Schon fertig!« sagte Dr. Borgoporte heiter, bevor er mit den Platten in die Dunkelkammer ging. »Wie fühlen Sie sich, Signora?«
    »Besser.«
    »Ich gebe Ihnen nachher ein Kreislaufmittel mit und Dragees, die Sie einnehmen, wenn wieder solche Krämpfe auftreten sollten.«
    Spät am Abend schlich sich Karl Haußmann aus seinem Zimmer und eilte über den schwach beleuchteten Flur zum Zimmer Marions. Erika schlief fest. Die Tropfen, die sie gegen Schmerzen eingenommen hatte, wirkten wie ein starkes Schlafmittel. Haußmann rief sie ein paarmal laut an, und als sie nicht reagierte, war es für ihn gefahrlos, zu Marion zu schleichen.
    »Was willst du hier?« fragte Marion Gronau schnippisch, als sie auf wiederholtes Klopfen öffnete und Haußmann hereinließ. »Wenn du glaubst, du könntest mich behandeln wie ein käufliches Püppchen … Auf dein Geld pfeife ich! Was war eigentlich los? Hat dir deine Frau wieder den Kopf heiß gemacht? Ich habe große Lust, abzureisen und mit Frank auf eigene Kosten Urlaub zu machen. Aber dann ist alles aus, mein Lieber.«
    Karl Haußmann setzte sich schwer und stierte auf den Orientvorleger vor Marions Bett. Sie hatte sich bereits ausgezogen, und durch den dünnen Perlonstoff ihres Nachthemdes sah er ihre aufreizende Gestalt. Sie schämte sich gar nicht, sondern ging vor ihm her zum Nachttisch, holte sich eine Zigarette und zündete sie an.
    »Meine Frau ist krank«, sage Haußmann dumpf.
    »Krank? Wieso?« Marion starrte Haußmann
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