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Das Schiff der Hoffnung

Das Schiff der Hoffnung

Titel: Das Schiff der Hoffnung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tränen über die Wangen liefen. Das letztemal hat er sich so liebevoll um mich gesorgt, als unser Junge zur Welt kam, dachte sie. Unser Junge, der jetzt schon studiert.
    Karl sah nicht, daß sie weinte.
    »Am besten ist, wir fahren morgen nach Deutschland«, meinte er. »Nicht erst nach Haus, sondern gleich zur Universität nach Heidelberg.«
    Erika schaute durchs Fenster nach draußen. Er sollte ihr Gesicht nicht sehen.
    »Operieren lasse ich mich nicht«, sagte sie, obwohl er davon noch gar nicht geredet hatte. Aber er hatte daran gedacht. Seine Bestürzung verriet es.
    »Warum denn nicht?«
    »Und wenn es zu spät ist?«
    »Unsinn! Wer sagt das? Wir müssen jede Chance wahrnehmen, Rika!«
    »Operieren lasse ich mich nicht. Ich will so von dir gehen, wie du mich kennst. Nicht mit einem zerschnittenen Leib.«
    Da war es wieder mit seiner Geduld zu Ende. Er brüllte los:
    »Du sollst nicht von mir gehen, verdammt noch mal!« Und dann leiser: »Los, fang ruhig schon an, die Koffer zu packen. Ich rede inzwischen mit den anderen. Die beiden können ja hierbleiben. Ich zahle ihnen die Rückfahrt mit der Bahn, damit sie keinen Schaden haben.«
    »Nein.«
    Sie kam und zog ihn zum Fenster.
    »Siehst du, wie herrlich blau das Meer ist. Und dieser Blütenduft, diese seidige Luft. Laß uns bleiben, Karl. Laß mich diese vier Wochen genießen.«
    Sie breitete die Arme aus und atmete tief.
    »Laß uns ein Boot mieten, Karl. Bei einem Fischer. Dann rudern wir weit hinaus. Mitten in diesem blauen Wasser möchte ich schwimmen.«
    Karl starrte sie an. So kannte er sie überhaupt nicht.
    »Rika, ich liebe dich«, sagte er leise.
    »Da, das Boot mit dem orangefarbenen Segel. Mit so einem möchte ich fahren.«
    Haußmann riß sie vom Fenster weg. Er preßte sie in seine Arme. Mein Gott, wie blind war ich all die letzten Jahre, dachte er.
    Später ging Karl Haußmann zum Strand hinunter. Allein. Erika blieb im Zimmer. Sie lag in einem Liegestuhl am Fenster und dachte über die vergangene Stunde nach.
    Habe ich nun gesiegt? fragte sie sich.
    Habe ich diese Marion Gronau aus seinen Träumen verdrängt? Habe ich wirklich meinen Mann zurückerobert? War das die Liebe wie vor zwanzig Jahren? Oder geschah alles nur in einer Aufwallung seines Mitleids und seines Schuldbewußtseins?
    Nur das nicht, dachte sie bang.
    Sie erhob sich, trat ans Fenster und blickte hinaus. Sie entdeckte ihren Mann sofort. Er saß neben Herrn Hellberg, dem Verlobten der Gronau. Die blonde Marion war nicht bei ihnen. Wahrscheinlich tummelte sie sich im Wasser – einer der bunten, wimmelnden Punkte im endlosen Blau.
    Erika war beruhigt. Sie ließ die Jalousien herunter und versuchte, ein wenig zu schlafen.
    Hellberg lag auf dem Bauch im Sand. Er hatte einen Sonnenbrand und blieb deshalb stets im Schatten des bunten Schirms.
    »Wie geht es Ihrer Gattin?« fragte er, nachdem er Karl Haußmann begrüßt hatte. »Marion erzählte, sie sei krank.«
    »Ja«, antwortete Haußmann, und er bemühte sich, ein möglichst unbeteiligtes Gesicht zu machen.
    »Hoffentlich nichts Ernstes«, fuhr Frank Hellberg fort, und als Haußmann schwieg, setzte er in seiner jungenhaft offenen Art hinzu:
    »Marion befürchtet, es sei vielleicht etwas Ernstes. Ich wollte Ihnen nur sagen, Herr Haußmann: Wenn ich Ihnen helfen kann …«
    »Helfen!«
    Karl Haußmann verlor plötzlich wieder die Fassung. »Menschenskind, helfen! Ich würde alles darum geben, wenn überhaupt nur jemand auf der Welt helfen könnte.« Sein Gesicht wirkte plötzlich ganz verfallen und alt. Unter der beginnenden Bräune war seine Haut fahlgelb.
    »Steht es so schlimm, Herr Haußmann?«
    Karl sah ihn nicht an. Er malte mit einem Finger im Sand und sagte gequält:
    »Ich habe heute morgen mit dem Arzt gesprochen. Er hatte Erika geröntgt. Ganz eindeutige Sache, klarer Fall.« Er konnte nicht weiterreden. Er ließ den Kopf noch tiefer sinken und stöhnte: »Es ist furchtbar, ganz furchtbar.«
    Frank Hellberg scheute sich, Haußmann anzuschauen.
    Er starrte aufs Wasser, hin zu den badenden, ballspielenden, vor Vergnügen kreischenden Menschen.
    »Krebs, nicht wahr?«
    »Sie wissen?«
    »Ist doch leider heute das Naheliegende.«
    Sie schwiegen eine Weile. Dann sagte Hellberg:
    »Natürlich brechen wir den Urlaub sofort ab.«
    »Nett von Ihnen«, erwiderte Klaus Haußmann. »Sehr anständig von Ihnen, Frank. Ich darf Sie doch so nennen. Schönen Dank für das entgegenkommende Angebot. Aber genau das will Erika nicht. Sie sagt,
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