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Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Titel: Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)
Autoren: John Green
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einem Mal all meine tausend Schwächen bewusst wurden. Die alten Jeans, die ich trug, waren mal eng gewesen, aber jetzt flatterten sie an den falschen Stellen, und die Band auf meinem gelben T-Shirt fand ich schon lange nicht mehr gut. Und meine Haare: Ich hatte diesen Bubikopf, den man trägt, wenn man vorher eine Glatze hatte, und hatte mir nicht mal die Mühe gemacht, mich zu bürsten. Dazu kamen die grotesk aufgeblasenen Hamsterbacken, noch so eine Nebenwirkung der Behandlung. Ich sah aus wie ein normal gebauter Mensch mit einem Luftballon als Kopf. Von meinen geschwollenen Fesseln ganz zu schweigen. Trotzdem – als ich mich wieder umsah, klebte sein Blick immer noch an mir.
    Zum ersten Mal verstand ich, warum es Augen kontakt hieß.
    Ich ging in den Kreis und setzte mich neben Isaac, zwei Plätze von dem neuen Jungen entfernt. Ich sah wieder in seine Richtung. Er beobachtete mich immer noch.
    Also, ich sage es ganz offen: Der Typ war echt süß. Wenn man von einem nicht-süßen Jungen angestarrt wird, ist es im besten Fall peinlich und im schlimmsten Fall eine Form von Belästigung. Aber bei einem süßen Typen … na ja.
    Ich kramte mein Telefon heraus und sah auf die Uhr. 16:59. Der Kreis füllte sich mit den unglücklichen Zwölf- bis Achtzehnjährigen, und dann stimmte uns Patrick mit dem Gelassenheitsgebet ein: Gott, gib mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Der Junge beobachtete mich immer noch. Ich war kurz davor, rot zu werden.
    Irgendwann beschloss ich, die richtige Strategie wäre zurückzustarren. Immerhin haben Jungs kein Monopol aufs Starren. Also sah ich ihn von oben bis unten an, während Patrick zum tausendsten Mal von seinen verlorenen Eiern redete, und bald starrten der Junge und ich um die Wette. Nach einer Weile musste er grinsen, und dann endlich sah er mit seinen blauen Augen weg. Als er mich wieder ansah, zog ich die Brauen hoch, um ihm zu zeigen, dass ich gewonnen hatte.
    Er zuckte die Schultern. Patrick redete weiter, und irgendwann ging es mit dem Vorstellen los.
    »Isaac, vielleicht möchtest du heute anfangen. Ich weiß, dass dir in der kommenden Woche eine große Herausforderung bevorsteht.«
    »Okay«, sagte Isaac. »Ich heiße Isaac. Ich bin siebzehn. Am Montag werde ich operiert, und danach bin ich blind. Ich will mich nicht beschweren oder so, weil ich weiß, dass es viele von uns hier schlechter erwischt haben, aber, na ja, blind werden ist irgendwie scheiße. Aber meine Freundin ist eine große Hilfe. Und Freunde wie Augustus.« Er nickte dem Jungen zu, der jetzt einen Namen hatte. »Tja … also«, fuhr Isaac fort. Er sah seine Hände an, die er zu einem Tipi gefaltet hatte. »Kann man nichts machen.«
    »Wir sind für dich da, Isaac«, sagte Patrick. »Sagen wir es ihm, Leute.« Und dann sprachen wir alle im Chor: »Wir sind für dich da, Isaac.«
    Der Nächste war Michael. Er war zwölf. Er hatte Leukämie. Er hatte immer schon Leukämie gehabt. Es ging ihm ganz gut. (Sagte er zumindest. Er hatte den Fahrstuhl genommen.)
    Lida war sechzehn und hübsch genug, um die Blicke süßer Jungen auf sich zu ziehen. Sie war Stammgast – in der ewigen Remission einer Form von Blinddarmkrebs, von der ich vorher noch nie was gehört hatte. Wie jedes einzelne Mal, wenn ich hier war, erklärte sie, dass sie sich stark fühlte, was mir, der die Sauerstoffschläuche in der Nase kitzelten, ziemlich angeberisch vorkam.
    Es stellten sich noch fünf andere vor, bevor er an die Reihe kam. Als er dran war, lächelte er ein bisschen. Seine Stimme war tief und rau und zum Umfallen sexy. »Ich heiße Augustus Waters«, sagte er. »Ich bin siebzehn. Vor anderthalb Jahren hatte ich den leichten Anflug eines Osteosarkoms, aber eigentlich bin ich heute nur hier, weil Isaac mich darum gebeten hat.«
    »Und wie geht es dir heute?«, fragte Patrick.
    »Oh, mir geht es toll.« Augustus Waters lächelte mit einem Mundwinkel. »Ich sitze in einer Achterbahn, auf der es immer nur aufwärts geht, mein Freund.«
    Als ich dran war, sagte ich: »Ich heiße Hazel. Ich bin sechzehn. Schilddrüse mit Metastasen in der Lunge. Es geht mir ganz gut.«
    Die Stunde verging schnell: Es wurde von Kämpfen berichtet, von gewonnenen Schlachten in Kriegen, die so gut wie verloren waren; es wurde von Hoffnung geredet; Familien wurden gepriesen und beschimpft; man war sich einig, dass
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