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Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)

Titel: Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)
Autoren: John Green
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und jetzt trug er eine superdicke Brille, durch die seine Augen (das echte und das Glasauge) unnatürlich riesig aussahen, als würde sein ganzer Kopf nur aus dem künstlichen Auge und dem echten Auge bestehen, mit denen er einen anstarrte. Sein Blick hatte dadurch zwar eine unheimliche Intensität, aber Isaac war angenehm sarkastisch. Soweit ich es von den seltenen Gelegenheiten verstand, wenn Isaac sich der Gruppe mitteilte, hatten sie jetzt auch was im anderen Auge entdeckt, und das hing nun sozusagen am seidenen Faden.
    Isaac und ich unterhielten uns ausschließlich durch Seufzer. Jedes Mal, wenn jemand von Antikrebs-Diäten oder dem Inhalieren von gemahlenen Haifischflossen oder so was redete, warf er mir einen Blick zu und seufzte leise. Darauf schüttelte ich kaum merklich den Kopf und atmete zur Antwort hörbar aus.
     
    Die Selbsthilfegruppe war also ätzend, und nach ein paar Wochen sträubte ich mich mit Händen und Füßen gegen den ganzen Zirkus. Tatsächlich hatte ich just an dem Sonntag, an dem ich die Bekanntschaft von Augustus Waters machte, alles versucht, die Selbsthilfegruppe zu schwänzen, während ich mit meiner Mutter auf dem Sofa saß und den dritten Teil eines zwölfstündigen America’s-Next-Top-Model -Marathons vom vergangenen Jahr sah, den ich zugegebenermaßen bereits kannte.
    Ich: »Ich weigere mich, zur Selbsthilfegruppe zu gehen.«
    Mom: »Das Desinteresse an Aktivitäten ist ein Symptom der Depression.«
    Ich: »Bitte, lass mich einfach America’s Next Top Model sehen. Das ist auch eine Aktivität.«
    Mom: »Fernsehen ist passiv.«
    Ich: »Ach, Mom. Bitte.«
    Mom: »Hazel, du bist ein Teenager. Du bist kein kleines Kind mehr. Du musst Leute kennenlernen, aus dem Haus gehen, dein Leben leben.«
    Ich: »Wenn du willst, dass ich mich wie ein Teenager benehme, dann schick mich nicht zur Selbsthilfegruppe. Besorg mir einen gefälschten Ausweis, damit ich in Clubs reinkomme und Wodka trinken und Haschisch nehmen kann.«
    Mom: »Erstens, Haschisch nimmt man nicht.«
    Ich: »Siehst du, so was wüsste ich, wenn du mir einen gefälschten Ausweis besorgen würdest.«
    Mom: »Du gehst zur Selbsthilfegruppe.«
    Ich: »Aaaaaaaaaaaaarrggghhh.«
    Mom: »Hazel, du verdienst zu leben.«
    Darauf fiel mir nichts ein, auch wenn ich nicht nachvollziehen konnte, auf welcher Ebene die Teilnahme an der Selbsthilfegruppe die Definition von Leben erfüllte. Trotzdem ließ ich mich breitschlagen – nachdem ich ausgehandelt hatte, dass ich die 1,5 Folgen von ANTM aufnehmen durfte, die ich verpassen würde.
    Der Grund, aus dem ich zur Selbsthilfegruppe ging, war derselbe, aus dem ich Krankenschwestern mit einer gerade mal achtzehn Monate langen Ausbildung erlaubte, mich mit Medikamenten mit exotischen Namen zu vergiften: Ich wollte meine Eltern glücklich machen. Denn es gibt nur eins auf der Welt, das ätzender ist, als mit sechzehn an Krebs zu sterben, und das ist, ein Kind zu haben, das an Krebs stirbt.
     
    Um 16:56 Uhr fuhr Mom in die halbrunde Auffahrt vor der Kirche. Ich fummelte an meiner Sauerstoffflasche herum, um Zeit zu schinden.
    »Soll ich sie dir reintragen?«
    »Nein, geht schon«, sagte ich. Die grüne Metallflasche wog nur ein paar Pfund, und ich hatte einen kleinen Wagen, auf dem ich sie hinter mir herzog. Sie versorgte mich über einen durchsichtigen Schlauch, der sich im Nacken teilte, hinter meinen Ohren entlanglief und sich an den Nasenlöchern wieder traf, mit einem Liter Sauerstoff pro Minute. Der war nötig, weil meine Lunge grottenschlecht in ihrem Job war.
    »Ich hab dich lieb«, sagte Mom, als ich endlich ausstieg.
    »Ich dich auch, Mom. Bis sechs.«
    »Lern Leute kennen!«, rief sie durchs runtergelassene Fenster hinter mir her.
    Ich wollte nicht mit dem Fahrstuhl fahren, weil der Fahrstuhl in der Selbsthilfegruppe so was Letztes-Stündlein-Mäßiges an sich hatte, also ging ich zu Fuß die Treppe runter. Dann nahm ich mir einen Keks, schenkte mir Limonade in einen Plastikbecher und drehte mich um.
    Ein Junge starrte mich an.
    Ich war mir ziemlich sicher, dass ich ihn noch nie gesehen hatte. Er war groß und schlaksig, so dass der kleine weiße Plastikstuhl der Sonntagsschule wie ein Zwergenstühlchen unter ihm wirkte. Sein Haar war kastanienbraun, glatt und kurz. Er war vielleicht so alt wie ich oder ein Jahr älter und saß mit provozierend schlechter Haltung da, Hintern an der Stuhlkante, eine Hand in der Tasche seiner dunklen Jeans.
    Ich wandte den Blick ab, während mir mit
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