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Das Schattenkind

Das Schattenkind

Titel: Das Schattenkind
Autoren: Anne Alexander
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und senkte den Blick.
    "Also, dann ist es abgemacht", bestimmte Roy. "Sagen wir um si e ben. Einverstanden?"
    Warum eigentlich nicht? Warum sollten die Winslows nichts von ihrem Vorleben erfahren? Schenkten sie ihr nicht auch Vertrauen? Immerhin arbeitete sie an Muriels Memoiren und die ältere Frau hatte ihr dabei schon manch kleines Geheimnis verraten, das nicht für die Nachwelt bestimmt war.
    "Ich bin einverstanden", erwiderte sie mit einem flüchtigen L ä cheln.
    "Das freut mich", sagte er herzlich. "Aber jetzt sollten wir zum Lunch gehen, sonst bringen wir unsere gute Mistress Adams noch zur Verzweiflung. Mal sehen, mit was sie uns heute überraschen wird. " Er seufzte laut auf. "Sie hören mir ja gar nicht zu, Laura." Er drohte ihr scherzhaft mit dem Zeigefinger. "Es wird wirklich höchste Zeit, daß wir uns einmal ausführlich miteinander unterhalten."
    "Entschuldigen Sie." Die junge Frau warf einen erneuten Blick zur Tür. Ganz deutlich hatte sie den Schatten gesehen, die Stimme gehört. Wie war das nur möglich? Ihre Tante hatte stets behauptet, daß sie viel zu verträumt und phantasievoll war, um jemals im Leben richtig Fuß fassen zu können. Sie hatte ihr beweisen wollen, daß es nicht stimmte, aber es sah nicht danach aus, als sei es ihr gelungen.

3.
    Das Essen war ausgezeichnet gewesen, wenn auch sehr italienisch. Laura war überzeugt, daß Mrs. Adams sie fragen würde, was sie g e gessen hatte. Entsetzt würde die Köchin die Augenbrauen hochziehen und dann bemerken: "Nun, hoffentlich haben Sie sich nicht den Magen verdorben, Miß Newman. Für einen guten, englischen Magen ist die italienische Küche ung e nießbar."
    "Warum schmunzeln Sie?" fragte Roy Winslow. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Sie waren inzwischen beim Mokka angelangt. Er war genauso stark, heiß und süß wie er sein sollte. Dazu gab es köstl i che Mandelmakronen, die regelrecht auf der Zunge vergingen.
    "Ich dachte nur an Mistress Adams", erwiderte sie.
    "Wir sollten ihr eine Makrone als Kostprobe mitbringen", scherzte Roy. "Doch wie ich die gute Seele kenne, wird sie es nur verachtung s voll beiseite legen." Er nippte an seinem Mokka. "Nun wird es Zeit, daß wir über Sie sprechen, Laura. Über Sie und Ihre Sorgen." Seine Augen blitzten belustigt auf. "Während des Essen haben wir uns so ausgiebig über Capri unterhalten, daß da nun wirklich nichts mehr gesagt werden muß."
    "Wir haben noch nicht über den Palast des Augustus gesprochen", wandte Laura ein.
    Der Immobilienmakler beugte sich vor und ergriff ihre Hände. "Bitte, glauben Sie mir, ich möchte Sie wirklich nicht aushorchen, nur meine Mutter und ich machen uns große Sorgen um Sie. Wir mögen Sie sehr."
    "Ich weiß", gestand Laura. "Aber wo soll ich anfangen?" Aufseu f zend blickte sie auf das Meer hinaus. Ein leichter Wind strich über die Terrasse, spielte mit ihren Haaren. "Bei meiner Einstellung erzählte ich ja bereits, daß ich nach dem Tod meiner Eltern von einer Tante in Rom aufgenommen wu r de."
    "Ja, Sie erwähnten es."
    "Man kann meine Tante Maud nicht gerade einen liebevollen Me n schen nennen, aber immerhin hat sie dafür gesorgt, daß ich stets a n ständig gekleidet war und auch nie hungern mußte. Natürlich hat sie ihre eigenen Kinder vorgezogen, und das tat weh. Nachts weinte ich oft in meinem Bett, weil ich auch einmal in den Arm genommen werden wollte, doch auf diesen Gedanken kam Tante Maud nicht. Roberto, ihr Mann, kümmerte sich ohnehin nur um seine eigenen Kinder. Es wurde nie ausgesprochen, doch ich glaube, er wollte nicht, daß ich in seiner Familie aufwachse."
    Laura schloß für einen Moment die Augen. Sie sah sich wieder an einem Weihnachtsabend einsam und alleine mit ihrer Puppe neben dem Tannenbaum sitzen, während ihre Tante und deren Mann mit ihren eigenen Kindern lachten und scherzten.
    "Es war sicher nicht leicht für Sie", meinte Roy.
    "Ich war einsam und zog mich schon früh in meine eigene Welt z u rück", erwiderte sie. "Zwei Tage nach meinem achtzehnten Geburtstag legte mir Onkel Roberto nahe auszuziehen. Er meinte, ich sei jetzt erwachsen und sollte mein Leben selbst in die Hand nehmen. Tante Maud war dagegen, aber ich suchte mir ein Zimmer in einer kleinen Pension. Ich besaß etwas Geld, so daß ich mich, bis ich eine geeignete Stelle gefunden hätte, über Wasser halten konnte." Ein flüchtiges L ä cheln umspielte ihre Lippen. "Ich war überzeugt, ohne fremde Hilfe meinen Weg machen zu können, doch mit der Arbeit
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