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Das Schattenkind

Das Schattenkind

Titel: Das Schattenkind
Autoren: Anne Alexander
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würde."
    Die junge Frau wandte ihren Blick wieder dem Meer zu. Die Lic h ter Neapels schienen zu ihnen hinüber. Aus der Nähe klang das Tuten eines Dampfers. Es übertönte die Musik, die aus dem Inneren des L o kals kam.
    "Fast einen Monat vor dem errechneten Termin bekam ich Wehen. Ich wurde in die Klinik hinübergebracht. Ich weiß nicht, was für Med i kamente mir durch Spritzen und Tropf zugeführt wurden, ich bekam die ganze Geburt jedoch nur wie durch einen dichten Nebel mit."
    Laura verbarg ihr Gesicht für einen Augenblick in den Händen. Sie spürte, wie sie innerlich zu zittern begann wie stets, wenn sie an jene furchtbaren Stunden dachte. "Durch den Nebel hindurch hörte ich ein Kind schreien. Jemand sagte, was für ein hübscher Junge. Und dann..." Sie schüttelte den Kopf. "Ich war mir damals so sicher, daß es Zwilli n ge gewesen sind, doch alle stritten es ab."
    "Ich bin zwar nur ein Mann, aber ich könnte mir vorstellen, daß e i ne Mutter genau weiß, ob sie ein oder zwei Kinder zur Welt gebracht hat", meinte Roy und strich sanft über Lauras Hand.
    "Ich hatte das Bewußtsein verloren. Als ich aufwachte, lag ich in einem kleinen exklusiv eingerichteten Zimmer. Überall standen Bl u men. Auf dem Boden lag ein bunter Teppich. Sogar an einen Fernse h apparat hatte man gedacht. Ich war zu schwach, um aufzustehen, aber ich konnte sehen, daß es in diesem Zimmer keine Wiege gab, obwohl in dieser Klinik die Kinder bei den Müttern blieben. Es dauerte lange, bis eine Schwester kam. Sie holte Doktor Hillery. Er sagte mir, daß mein Sohn tot zur Welt gekommen wäre."
    "Haben Sie das Kind gesehen?" fragte der junge Immobilienmakler erschüttert.
    Laura nickte. "Ich bestand darauf. Im Rollstuhl wurde ich in die kleine Kapelle gefahren, die zur Klinik gehörte. Manuel lag in einem weißen, mit Gold verzierten Sarg vor dem Altar. Samuel kniete neben ihm. Wir weinten g e meinsam um unser Kind.
    Eine Woche später überwies Samuel einen ziemlich hohen Betrag auf mein Konto in Rom und kehrte nach England zurück. Ich hörte nie wieder von ihm. Als ich mich mit ihm in Verbindung setzen wollte, stellte ich fest, daß er mir wahrscheinlich sogar einen falschen Namen genannt hatte. Ich rief Doktor Hillery an, aber dieser war nicht bereit, mir irgendwelche Auskünfte zu geben. Mich wunderte, daß er nicht abstritt, mich überhaupt zu ke n nen."
    "Leider gibt es sehr viele Männer, die unter falschen Flaggen s e geln", bemerkte Roy. "Ich würde sehr gerne sagen, Sie sollten endlich zu vergessen, aber ich kann Ihnen nachfühlen, wie furchtbar es sein muß, nicht nur das Kind, sondern auch den geliebten Mann verloren zu haben."
    "Für Samuel empfinde ich heute nichts mehr", erwiderte Laura. "Ich habe sein Geld gut angelegt und eine gute Schule besucht. Dank der Ausbildung, die ich dort erhielt, konnte ich mich als Privatsekret ä rin bewerben. Es hat keinen Sinn, der Vergangenheit nachzutrauern. Was mich immer noch bedrückt, ist der Tod meines Sohnes. " Sie überlegte, ob sie wirklich mit Roy darüber sprechen konnte, dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und erzählte ihm von ihren Träumen.
    "Aber das ist es nicht alleine", fügte sie hinzu. "Seit der vergang e nen Nacht höre ich Manuel nach mir rufen. Ich glaube sogar, seinen Schatten zu sehen. Heute vormittag, als ich im Arbeitszimmer saß, sagte er laut und deutlich zu mir: 'Du mußt David helfen'."
    "Wer ist David?" Roy sah sie bestürzt an.
    "Das weiß ich nicht", erwiderte die junge Frau. "Aber ich fühle, daß etwas Furchtbares passieren wird und ich habe schreckliche Angst. " Sie schüttelte den Kopf. "Sicher halten Sie mich jetzt für verrückt. Ich könnte es Ihnen nicht einmal verde n ken."
    "Keineswegs", sagte Roy Winslow. "Allerdings bin ich überzeugt, daß Sie das Trauma der Totgeburt noch nicht überwunden haben." Er stand auf und rückte seinen Stuhl direkt neben die junge Frau. "Bitte, lassen Sie sich von uns helfen, Laura. Meine Mutter schätzt Sie gena u so wie ich."
    "Ich glaube nicht, daß mir jemand helfen kann", meinte seine B e gleiterin niedergeschlagen. "Ich sehe Gespenster, ich höre Stimmen, ich..."
    "Wir werden einen Weg finden", versprach Roy und küßte sie auf die Wange.
    4 .
    "Ich hatte immer einen ganzen Schwarm von Verehrern im Schlepptau", erzählte Muriel Winslow mit einem wehmütigen Lächeln. "Ich tanzte für mein Leben gern. Wenn die Musik erklang..." Sie blickte zur Tür. "Was gibt es denn, Roy?" Stirnrunzelnd sah sie ihren
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