Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das scharze Decameron

Das scharze Decameron

Titel: Das scharze Decameron
Autoren: Leo Frobenius
Vom Netzwerk:
Als sie aber ganz nahe dorthin gekommen waren, kamen sie an das Ufer eines großen Flusses. Der Fluß lag zwischen den fünfzig Mädchen und den fünfzig Burschen. Die Burschen hatten aber vorher noch keinen Fluß gesehen und riefen. Die Burschen riefen. Die Mädchen hörten aus der Entfernung die Rufe und kamen den Burschen entgegen. Die Mädchen kamen an das andere Ufer des Flusses. Sie sahen drüben die fünfzig Burschen stehen und riefen: »Wer seid ihr? Was schreit ihr? Seid ihr auch Menschen?« Die fünfzig Burschen riefen: »Wir sind auch Menschen. Wir sind aus der Erde hervorgekommen. Was schreit ihr aber?« Die fünfzig Mädchen sagten: »Wir sind auch Menschen und aus der Erde hervorgekommen. Wir schrien und fragten den Mond und die Sterne, wer sie gemacht hat oder ob sie alles gemacht haben?«
    Die fünfzig Burschen fragten den Fluß: »Du bist nicht wie wir, wir können nicht auf dir gehen und dich nicht greifen, wie man über die Erde gehen kann. Was bist du? Wie kann man über dich hinweg auf die andere Seite kommen?« Der Fluß sagte: »Ich bin das Wasser. Ich bin da zum Baden und Waschen. Ich bin da als Getränk. Wenn ihr auf mein anderes Ufer kommen wollt, geht nach weiter oben, wo ich ganz seicht bin, da könnt ihr mich überschreiten.« Die fünfzig Burschen gingen den Fluß hinauf. Sie fanden eine Stelle, die war seicht. Sie gingen auf das andere Ufer des Flusses.
    Die fünfzig Burschen wollten nun zu den fünfzig Mädchen. Die fünfzig Mädchen sagten: »Kommt nicht so dicht heran. Wir leiden es nicht. Geht ihr dort drüben. Wir bleiben hier. Diese Steppe lassen wir zwischen uns.« Die fünfzig Mädchen und die fünfzig Burschen zogen so in einiger Entfernung nebeneinander her. Sie kamen aber nicht zusammen.
    Auf ihrem Wege kamen die fünfzig Burschen eines Tages an eine Quelle. Die fünfzig Mädchen kamen auch an eine Quelle. Die Burschen sagten: »Hat der Fluß uns nicht gesagt, daß das Wasser dawäre zum Baden? Kommt, wir wollen baden.« Die fünfzig Burschen begannen ihre Kleider abzulegen und stiegen in das Wasser und badeten sich. Die fünfzig Mädchen saßen um die Quelle und sahen von dort aus auf die Burschen. Ein keckes Mädchen sagte: »Kommt mit mir, wir wollen sehen, was die anderen Menschen machen.« Zwei andere Mädchen sagten: »Wir gehen mit.« Alle anderen sagten: »Nein, wir gehen nicht mit.«
    Die drei Mädchen schlichen sich zwischen den Büschen zu den Burschen hinüber. Zwei von ihnen blieben unterwegs zurück. Nur das kecke Mädchen kam im Schutz der Büsche ganz dicht zu den Burschen heran. Das Mädchen sah durch die Büsche die Burschen, die die Kleider abgelegt hatten. Die Burschen waren nackt. Das Mädchen sah alle Burschen an. Das Mädchen sah, daß die Burschen nicht so beschaffen waren wie sie. Das Mädchen sah alles ganz genau an. Als die Burschen sich wieder anzogen, schlich das Mädchen sich zurück. Die Burschen hatten es nicht gesehen.
    Das Mädchen kam zu den andern Mädchen zurück. Die andern Mädchen kamen dicht zusammen und sagten: »Was hast du gesehen?« Das kecke Mädchen sagte: »Kommt, wir wollen auch baden, dann werde ich es euch sagen und zeigen.« Die fünfzig Mädchen kleideten sich auch aus. Sie stiegen an ihrer Quelle in das Wasser. Das kecke Mädchen sagte: »Die Menschen dort sind anders beschaffen als wir. Wo wir die Brüste haben, da haben sie nichts. Wo wir die Achatschun haben, haben sie etwas andres. Auf dem Kopfe haben sie nicht lange Haare wie wir, sondern kurze. Wenn man sie nackt sieht, schlägt das Herz stark, und man möchte sie umarmen. Wenn man sie nackt gesehen hat, kann man es nicht mehr vergessen.« Die andern Mädchen sagten: »Du lügst.« Die Kecke sagte: »Geht selbst hin und seht, wie es ist. Ihr werdet dann verrückt werden, wie ich es geworden bin.« Die andern Mädchen sagten: »Wir wollen weiter gehen.«
    Die fünfzig Mädchen zogen auf ihrem Wege weiter. Die fünfzig Burschen zogen auf ihrem Wege weiter. Die Burschen zogen aber langsam weiter. Die Mädchen dagegen zogen schneller weiter und machten einen Bogen und kamen so in den Weg der Burschen. Sie lagerten nun ganz dicht nebeneinander. An dem Tage, an dem die fünfzig Burschen ganz dicht bei den fünfzig Mädchen lagerten, sagten die Burschen: »Wir wollen nicht mehr im Freien unter dem Himmel schlafen. Wir wollen uns Häuser bauen.« Einige Burschen begannen sich Löcher in der Erde zu machen. Sie schliefen in den Löchern der Erde. Andre machten sich Gänge und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher