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Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Titel: Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Autoren: Götz Justus
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Knarzen seiner Prothese.
     
     

27. Juli, 04:15 Uhr Ortszeit; an Bord des Fluges EK 604 im Anflug auf Karatschi
    Wieder schüttelte eine heftige Monsunbö die Maschine. Waagerechte Regenschlieren überzogen pfeilschnell die Fenster in dicht geordnetem Muster und erschwerten den Blick nach draußen. In kurzen Abständen erleuchteten Blitze das Innere der abgedunkelten Kabine. Sander liebte Gewitter. Und er fand es immer wieder aufregend, zu erleben, wie die Technik der Herausforderung der Natur trotzte. Er war Ingenieur, Vollblutingenieur, hatte tiefstes Vertrauen in den Stand der Technik. So machte er sich weniger Sorgen um das Flugzeug, ein nagelneuer Airbus A340, als vielmehr um seinen Rotwein. Die Flasche mit der Linken auf den Klapptisch gepreßt, das Glas in der Rechten von sich gestreckt, balancierte er mit der Praxis des Vielfliegers die abrupten Vertikal- und Scherbewegungen aus. Längst hatten sich die Stewardessen angeschnallt; er würde wohl oder übel mit dieser Gymnastik bis zum Aufsetzen fortfahren müssen. An Trinken war jedenfalls nicht mehr zu denken.
    Die Maschine sackte um eine beträchtliche Höhe durch. Die Härte des Abfangmanövers ließ die Innenverkleidung der Kabine unter der Last ächzen, irgend etwas fiel hinter ihm zu Boden. Wie oft war er schon hier gelandet, aber ein solches Unwetter hatte er im Anflug auf Karatschi noch nicht erlebt. Vermutlich war er nie zu dieser Jahreszeit hierher geflogen, so genau wußte er das aufgrund der zahlreichen Flüge nicht mehr. Im Juli reisten allenfalls unverbesserliche Globetrotter nach Karatschi. Die Hitze war dort unerträglich, die Tag und Nacht anhaltende Schwüle verwandelte jedes frisch gebügelte Hemd außerhalb klimatisierter Gebäude in Minutenschnelle in eine am Körper klebende, gleichermaßen knitterige wie feuchtfleckige Stofflandschaft, die mit einem zivilisierten Outfit nichts mehr gemein hatte. Sander haßte Schwüle, dies um so mehr, seit eine in den 80er Jahren erlittene Tropenhepatitis ihn bei geringstem Streß mit massiven Schweißausbrüchen peinigte. Reisen in Pakistan, seine aktuelle Mission, die hiermit verbundenen täglich wechselnden Anforderungen an die mentale wie körperliche Belastbarkeit, das alles bedeutete Streß.
    Es mußte schon ein besonderer Anlaß sein, ihn zu dieser Jahreszeit nach Karatschi einzuladen, zumal dort – wie in der gesamten hitzegepeinigten Sindh Province – die geschäftliche Aktivität während der Sommerzeit auf das absolute Minimum des Unumgänglichen zurückgefahren wurde. In der Regel traf man sich in der Frühe in einem klimatisierten Büro, um bei einer Tasse Tee spärliche Informationen auszutauschen, und des Abends, um bei einer weiteren Tasse Tee über den sicherlich heißesten Tag des Jahres zu stöhnen. In dieser Zeit war jeder Tag der heißeste des Jahres! Wer es sich leisten konnte, kehrte der Region den Rücken und floh nach Norden in die Ausläufer des Himalaja. Die Upper Class, hierzu zählte sich natürlich auch die leitende Ministerialbürokratie, verschwand spätestens Anfang Juli und kehrte erst im Verlaufe des Septembers zurück. Sanders Gesprächspartner gehörten allesamt der Upper Class an. Was also erwartete ihn?
    Was war der Grund für die plötzliche Einladung? Das Thar-Projekt dümpelte seit Jahren vor sich hin. Jeder Regierungswechsel führte zu einem Austausch der Entscheidungsträger. Sander hatte in Pakistan schon etliche Regierungswechsel überstanden. Erfolgten Wechsel außerplanmäßig, wurden in der Regel nicht nur die politischen Entscheidungsträger ausgetauscht, sondern gleich komplette Regierungsprogramme. Die einzig konstante Größe waren die Lobbyisten. Leider verfügte die heimische Kohle, Pakistans mit Abstand größte Energieressource, über keinerlei Lobby. Ihre Gegner waren um so zahl- und einflußreicher.
    Aus welchem Grunde wurde plötzlich Karatschi die erste Anlaufstation, obwohl die Regierung in Islamabad das Geschehen in die Hand genommen hatte? Dort hatte man ihn bereits im Marriott einquartiert. Erst vorgestern erfolgte die unerwartete Programmänderung. Man sagte, alles Weitere würde er in Karatschi erfahren. Und warum bat man ihn, einen Bergwerksexperten zu nominieren? Das Lignitvorkommen in der Thar sollte im Tagebauverfahren ausgebeutet werden! Seit Mitte der 90er Jahre wurde kein anderes Konzept verfolgt. Was, zum Teufel, sollte hier ein Bergbauexperte ausrichten können?
    Das harte Aufsetzen des Airbus riß ihn aus seinen Gedanken.
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