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Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Titel: Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Autoren: Götz Justus
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Draußen huschte – Irrlichtern gleich – die Landebahnbefeuerung vorbei, im Hintergrund sah man spärliches Licht in umliegenden Gebäuden. Es war früh, Karatschi schlief noch. Jäh setzte der Gegenschub ein, aufwirbelnde Gischt nahm die Sicht. Obwohl es schien, als könne keine Kraft der Welt das schwere Fluggerät daran hindern, über das Ende der Landebahn hinauszuschießen, kroch der Wein im Innern des Glases unbemerkt über den Rand und rann die Finger entlang, während der Airbus – schwerfällig wie ein Elefant – auf den Runway einschwenkte. ‚Verflixt, das wär‘ dir früher nicht passiert. Bist auch nicht mehr der Alte.‘ Er setzte die Flasche ab und nestelte unter dem Gurt umständlich nach dem Taschentuch. Längst hatte der Rotwein unverkennbare Spuren auf seinem Hemd hinterlassen, unwürdiges Ende einer sonst untadeligen Anreise ...
    Obwohl die Maschine an einem klimatisierten Flugsteig andockte, reichte der Spalt an der Fluggastbrücke, den Passagieren eindrucksvoll einen Eindruck der Schwüle zu vermitteln, die sie beim Verlassen des Flughafengebäudes erwartete. Sander kannte den endlosen Weg zur Paßkontrolle zur Genüge. Auch das akribische Prozedere der Grenzbeamten konnte ihn nicht schocken. Seite für Seite wurde der Paß durchblättert, jeder Stempel, jedes Visum argwöhnisch beäugt, unterbrochen von prüfenden Blicken, ob nicht doch eine Abweichung des Gegenübers vom Paßbild feststellbar sei. Es würde mindestens 20 Minuten dauern, bis das Gepäck auf dem Band angeliefert wurde, also hatte er Zeit. Der Beamte offensichtlich auch. "Business", zitierte er in unverkennbarem Pigeon English den Eintrag im Visum. Es entspann sich der unvermeidliche Dialog:
    "What kind of business, Sir?"
    "Project Development."
    "Ah, I see! What kind of project, Sir?"
    "Coal mining and power generation."
    "Ah, I see! Which location, Sir?"
    "Thar Desert, Sindh Province."
    "Ah, I see!"
    Der Beamte klappte den Paß zu und reichte ihn Sander. "Wish a pleasant stay!" Er würdigte Sander keines weiteren Blickes, der nächste Passagier hatte längst seine Neugier geweckt.
     
     

27. Juli, 05:25 Uhr Ortszeit; Quaid-e-Azam International Airport, Karatschi
    Allmählich wurde Sander unruhig. Wenn er eines haßte, dann war es der Verlust des Reisegepäcks. Wie oft hatte er das schon erlebt, die ersten Tage ohne eigene Kleidung, ohne die gewohnten Utensilien. Ein Teil der Akten war ebenfalls im Koffer, ausgerechnet die Verfahrensbeschreibung der Lignit-Vergasung war darunter. Hierüber sollte er in Islamabad vortragen. Die Charts würden ihm fehlen. Sein Blick irrlichterte über das sich leerende Gepäckband. Noch standen zehn, zwölf Passagiere mit gleichermaßen besorgtem Gesichtsausdruck um das Band verstreut. Dann und wann kroch ein Gepäckstück unter dem Gummivorhang hervor, was jedesmal erleichtertes Lächeln bei einem der Wartenden auslöste. So wurden sie weniger, bis nur noch er am Band stand, müde, voller Frust und aufkommender Aggression, wußte er doch um die unendliche Prozedur, seinen Rollkoffer beschreiben zu müssen, schlimmer noch, seine wechselnden Adressen anzugeben. Letzteres bereitete ihm besonderes Kopfzerbrechen, denn er selbst kannte das Programm noch nicht.
    Sander wartete mit sinkender Hoffnung. Das Band lief noch, aber das besagte nichts; zu oft wurde das Abstellen vergessen. Bis auf den ununterbrochen mit seinem Handy beschäftigten Sicherheitsbeamten, ein hochgewachsener Kraftprotz mit geschorenem Kopf und auffälligem, tiefschwarzem Schnauzer, war weit und breit kein Personal zu sehen. Gerade wollte er sich auf den Weg zum Lost Baggage Counter machen, als unerwartet der Gummivorhang seinen Rollkoffer ausspie. ‚Glück gehabt!‘ Sander war zu müde und zu erfahren, über den Grund der verspäteten Ausgabe nachzudenken. Daß dies ein gravierender Fehler war, wurde ihm erst sehr viel später bewußt. Freundlich lächelte der Sicherheitsbeamte ihm zu.
    Er passierte ohne Probleme die Zollkontrolle, man schien nicht gewillt, für einen einzelnen Nachzügler irgendwelchen Aufwand zu treiben. Im öffentlichen Bereich des Flughafens herrschte trotz der frühen Stunde schieres Chaos. Menschenmassen standen in Gruppen oder unendlichen Schlangen, man palaverte, man rief, man rannte scheinbar ziellos durcheinander, man suchte ständig irgendwen und irgendwas, des Schreibens Mächtige füllten Formulare aus, andere bekamen sie erklärt, Kinder schliefen, schrien, weinten, man blockierte sich
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