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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder
Autoren: Gerhard Otto Stock
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Nachmittag
zu Kaffee und Kuchen ein. „Kommt gegen drei Uhr, dann halten wir Familienrat.
Doch fürs erste, schicke mir bitte Fräulein Li-tai herüber. Ohne Mister David,
den sie sobald nicht wiedersehen wird, wird sie sich bestimmt sehr einsam und
überflüssig fühlen, denn sie kennt ja niemanden von uns. Vielleicht würde sie
dem verrückten Doktor Sebastiãno ein bisschen Gesellschaft leisten. Was denkt
ihr? Ist so eine Idee von mir.“
       Sie
gingen lächelnd. Sebastiãno und ich befanden uns nun allein in der Bibliothek.
Das Purpur hatte sich mittlerweile aus meinem Gesicht verflüchtigt, so das mein
junger Freund keinen Anlass mehr fand, weiter seine ärztlichen Künste an mir
auszuprobieren. Ich trat an meinen geliebten Globus und öffnete die nördliche
Halbkugel, unter der sich eine kleine Geheimbar verbarg. Mein Doktor
beobachtete mich mit zur Seite geneigten Kopf, wie ich mir einen kleinen
Schluck Martini in ein Glas goss.
       „Halten
Sie das, nach all dem Tumult, der sich in den letzten vierundzwanzig Stunden in
Ihrem Körper abgespielt hat, für die richtige Medizin?“
       
Ich antwortete nicht, ich verschloss die Halbkugel wieder und blickte für
einige Sekunden in seine Augen.
       
„Ach, Doktor Sebastiãno, kommen Sie doch bitte einmal her.“
    Genüsslich
pickte ich mir eine schwarze Olive von Frühstücksbüfett und warf sie in mein
Glas. Während ich sie sanft in dem gelblichen Wermut hin- und herschwenkte und
mit dem Kopf auf den Globus deutete, fragte ich ihn ganz beiläufig: „Sagen Sie
mal, Herr Doktor, wissen Sie eigentlich wo Kuala Lumpur liegt?“ Wie durch
Zufall wurde im selben Moment an die Tür geklopft. Papandreous trat ein und
meldete Li-tai. Freudig stürzte ich ihr entgegen. „Schön, dass Sie gleich
gekommen sind. Wir reden gerade über Geografie. Aber setzen Sie sich doch.
Unsere Doktor Sebastiãno hat nicht die geringste Ahnung auf welchem Erdteil
sich Kuala Lumpur befindet. Aber Sebastiãno, so bieten Sie doch unserer Li-tai
eine kleine Erfrischung an. Sie stehen da, mit meinen Büchern in den Händen,
und bilden sich tatsächlich ein, sie wären hier allein im Haus. Dass Ihr
Chinesisch miserabel ist, und Ihr Malaiisch erst recht, ist mir durchaus
bekannt, aber Ihr Englisch ist doch ganz passabel. Also, unterhalten Sie sich
gefälligst mit dem netten Fräulein. Ich werde mich jetzt zur Ruhe begeben und
mir Herrn Ted Berliner und seine Lektüre vorknöpfen. Bis nachher.“ Ich hatte
sie überrumpelt, und da ich bemerkte, dass Li-tai von meiner Absicht noch
weniger verstand als Dr. Sebastiãno, nahm ich sie beiseite und flüsterte.
„Li-tai, so leid es mir tut, doch ich glaube, David wird die ersten zwanzig
Jahre wahrscheinlich nicht aus dem ghanaischen Gefängnis herauskommen. Und
bedenken Sie, Dr. Sebastiãno ist sogar zwei Jahre jünger als David.“
    Ohne
sie zu Worte kommen zu lassen, zog ich mich geflissentlich in meine Gemächer
zurück. Was aus dieser Kupplerei werden würde, würde man später erfahren.
    Ich
bin mir vollkommen im klaren darüber, was Sie als anonymer Leser schon von
Anfang an denken: Sie denken, ich versuche unter dem Deckmantel meiner
„väterlichen Anmerkungen“ hier meine eigene Kurzgeschichte einzuarbeiten. Aber
ich sage Ihnen ehrlich und aufrichtig, das ist nicht wahr und entspricht
keinesfalls meinen Intentionen. Wie ich bereits weiter oben anmerkte, bemühe
ich mich ausschließlich darum, Ihnen die ungewöhnlichen Umstände zu
verdeutlichen, unter welchen ich an dieses Manuskript gelangt bin. Dass Sie
dadurch in den Genuss geraten sind, das Ihnen hier vorliegende Buch käuflich zu
erwerben und zu lesen, ist nur mir zu verdanken. Sie sollten das schätzen,
werter Leser. Außerdem ist mir dieser gesamte Appendix so wie so schon zu lang
und ausschweifig geraten. Ich verspreche Ihnen, in aller Kürze zu einem
verständlichen Ende zu finden. Mein Zustand, und besonders Dr. Sebastiãno,
lassen eine weitere, ausführlichere Betrachtung der Vorkommnisse um die
Verhaftung meiner Freunde nicht mehr zu. Und es entspricht auch unzweifelhaft
der Tatsache, dass ich den roten Faden in meinen „Anmerkungen“ bereits seit
geraumer Zeit verloren habe.
    Ich
machte es mir in meinem Bett bequem, der braune Hefter lag griffbereit auf der
Bettdecke. Doch bevor ich die erste Seite aufschlug, schlug ich mein Notizbuch
auf und suchte die Telefonnummer des Hauptquartiers der Kriminalpolizei in Rio.
Ich verlangte nach einem Senhor Evaristo Correia,
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