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Das Salz der Mörder

Das Salz der Mörder

Titel: Das Salz der Mörder
Autoren: Gerhard Otto Stock
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einem Mal wild auf ihren Schultern durcheinander
schütteln. Auch die Sommersprossen scheinen in Bewegung geraten zu sein und
tanzen kreuz und quer über Nase und Jochbein. Dann bemerke ich, wie sich die
Hände von Li-tai und David hilfesuchend ineinander verkrampfen. Ich hebe meinen
Blick und sehe noch verschwommen unsere „MS Steven Smiley“ am Landungssteg
verträumt vor sich hindümpeln, und es wird langsam dunkel um mich . . .
       
. . . ich komme zu mir, soll heißen, ich werde allmählich wach, doch ich halte
meine Augen geschlossen. Ich spüre Unruhe, Raunen und Flüstern. Ich glaube, ich
befinde mich in meinem Schlafzimmer und liege im Bett. Das Fenster scheint weit
geöffnet zu sein, denn kühle Luft weht sanft über mein Gesicht. Jemand greift
an mein Handgelenk. Ich schrecke hoch und starre benommen um mich.
    „Ich
möchte nur Ihren Puls messen, Nicos, bitte regen Sie sich nicht auf.“ Was will
denn Dr. Sebastiãno hier? Und Gaby und Maria und Li-tai, Frau Buchwald und
Marianne, selbst José steht am Fußende und betrachtet mich wie einen
Sterbenden, während mir Papandreou einen frischen Eisbeutel auf die Stirn legt.
Sind wohl alle verrückt geworden, denke ich. Der kleine Steven streichelt meine
linke Hand, nimmt sie und drückt sie an seine zarte Wange.
    „Blutdruck
und Puls haben sich wieder stabilisiert“, sagt der Doktor beruhigend und nickt
den anderen zu.
    „Was
sollen sie auch sonst tun, Sebastiãno?“ erwidere ich mürrisch.
    „Haben
Sie das gehört, meine Herrschaften?“ wendet sich der Arzt an meinen
schweigsamen Besuch. „Unser Senhor Dom Psorakis ist wieder gesund. Ihm fehlt
nichts mehr. Denn, Gott sei Dank, dürfen wir uns wieder an seinen
abgeschmackten Witzen erfreuen. Na, mein lieber Nicos, dann können Sie uns auch
sagen, wie spät es jetzt ist?“
    „Ja,
natürlich, hier auf meinem Nachtschrank steht doch der Wecker. Hier, sehen Sie,
es ist genau sieben Uhr.“
     „Und
welcher Tag ist heute?“
    „Sebastiãno,
Sie lassen nicht locker. Sie wollen mich ärgern oder mich vor meinen Freunden
lächerlich machen oder beides. Also, schön: Es ist Sonntagabend, der 4. Mai
2003, neunzehn Uhr, Ortszeit. Zufrieden?“
    „Das
stimmt nicht ganz, Onkel Nicos“, wendet Gaby ein, die näher getreten war und
sich auf meinen Bettrand gesetzt hatte. „Es ist Montag Morgen, der 5. Mai 2003,
sieben Uhr, Ortszeit. Du hast lange geschlafen. Wir waren alle sehr in Sorge um
dich. Es geht dir doch jetzt hoffentlich besser?“
    „Aber
ja, mein Kleines. Ich weiß nur nicht mehr genau, was gestern mit mir passiert
ist.“
    „Darf
ich es ihm sagen, Doktor Sebastiãno?“ Der Doktor nickt Gaby bedenkenlos zu.
    „Onkel
Nicos, gestern wurden Mutti und Vati und Danny, Onkel David und Onkel Kalle
verhaftet.“ Sie legt ihren Kopf auf meine Brust und beginnt hemmungslos zu
weinen. „Der dicke Polizist in seiner Paradeuniform hat ihnen Handschellen
angelegt, dann auf die Straße geführt und sie aufgefordert sich in den VW zu
setzen, damit sie auf deutschem Hoheitsgebiet sind.“ Ihr ganzer zerbrechlicher
Körper zittert.
    „Komm,
Gaby, lass mich aufstehen. Wir wollen uns unten in der Bibliothek unterhalten.
Und du, Papandreou, nimmst sofort diesen lächerlichen Eisbeutel von meinem Kopf
und bereitest uns ein kleines Frühstück vor. Nach der ganzen Aufregung müssen
wir doch alle wieder zu Kräften kommen.“
     Papandreou
und José zauberten ein hervorragendes Frühstücksbüfett zusammen. Innerhalb
einer halben Stunde verarbeiteten sie alle Leckerbissen, die in meinen
Vorratslagern zu finden waren. Flankiert von einer erlesenen Auswahl
verschiedenartigster Sorten Tees und Kaffees, Fruchtsäften und Mineralwassern.
Doch diese liebevollen Bemühungen, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass
die allgemeine Stimmung äußerst bedrückend war.
       Meine
Bibliothek hatte seit mehreren Jahren nicht mehr solch einen Andrang von
Besuchern erlebt. Man verhielt sich sehr gezwungen und eingeschüchtert, zumal
der Doktor und ich die einzigen männlichen Lebewesen unter den weiblichen
waren. Darüber verwundert, fragte ich nach Opa Toni.
       „Mein
Mann hält diese rothaarige Hexe im Zaum“, antwortete Frau Buchwald mit bebender
Stimme. „Sie will das Haus erst verlassen, nachdem sie Freddys Manuskript
gelesen hat. Von irgendwem muss sie erfahren haben, dass es damals bei der Flucht
von Herrn Smiley und Freddy aus Ghana, die ja nur durch Herrn David ermöglicht
werden konnte, auch um einige
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