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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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Entwicklungshilfe hinausgehendes Engagement. So betreut der Arbeitsstab Humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes in rund 80 Staaten der Welt jährlich mehrere hundert humanitäre Hilfsprojekte, die sich auch nicht mehr allein auf das traditionelle Aufgabenspektrum humanitärer Nothilfe beschränken, sondern auch Maßnahmen des «humanitären» Minenräumens und der Katastrophenvorsorge umfassen. Die Europäische Union verfügt ihrerseits mit der Generaldirektion ECHO über eine einschlägig aktive Organisationseinheit, deren jährliches Budget allein etwa eine Mrd. Euro beträgt und damit die Größenordnung der Gesamtausgaben des IKRK erreicht, wenn nicht übersteigt. Und so ist denn nicht zuletzt der Kampf um die knapper werdenden finanziellenRessourcen eine der zentralen Herausforderungen, mit denen sich auch die Komponenten der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung konfrontiert sehen.
    Geldgeber, aber auch eine zunehmend aufmerksame und kritische Öffentlichkeit fordern zudem einen effektiven Einsatz von Hilfsgeldern. Ein hoher Grad an Professionalität, aber auch eine intensive Koordinierung von Hilfsangeboten sind daher unerlässliche Voraussetzungen, um auf dem Markt für humanitäre Dienstleistungen auf Dauer bestehen zu können. Beides ist innerhalb der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung als dringliche Aufgabe erkannt worden. So konnte im Jahre 1997 der jahrzehntelang zwischen IKRK und Föderation schwelende Streit um die Führungsrolle bei internationalen Einsätzen beigelegt werden (Abkommen von Sevilla). Das für die Koordinierung der Hilfe verantwortliche Organ – die «lead agency», so die neue Terminologie – während und in unmittelbarem Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten soll danach weiterhin das IKRK sein. In nichtkriegerischen Notsituationen, wie etwa nach Naturkatastrophen, technischen Unglücken, Epidemien, bei Massenfluchten sowie in der Aufbauphase nach dem Ende eines bewaffneten Konflikts, soll diese Funktion hingegen der Föderation zufallen – und unter bestimmten Bedingungen sogar einer nationalen Gesellschaft. Diese wohl nur in der Theorie eindeutige Aufgabenverteilung weist auf eine weitere Entwicklung hin, die gerade für die internationale Arbeit der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung von erheblicher Relevanz ist. Die meisten bewaffneten Konflikte – so hat es das IKRK in seinem neuesten Strategiepapier (ICRC Strategy 2011–2014) zu Recht festgestellt – enden nämlich nicht mehr: Verteilungskämpfe um Energie, Land und Wasser, oftmals unterlegt mit ethnischen und religiösen Konflikten, tendieren zur Endlosigkeit. Und die kritische Situation, in der sich gerade die Zivilbevölkerung in vielen Teilen der Welt befindet, ist zudem zunehmend das Ergebnis einer Kombination von Kriegsfolgen einerseits und Megatrends wie Klimawandel, Umweltzerstörung, Wanderbewegungen und ungezügelter Urbanisierung andererseits.
    Die Welt retten kann auch eine so große und erfolgreiche humanitäreWeltbewegung wie diejenige des Roten Kreuzes nicht – und sie sollte es wohl auch nicht versuchen. Bei den Genfer Institutionen besteht Einvernehmen darüber, dass bewaffnete Konflikte und humanitäre Notsituationen heute in einem viel breiteren humanitären Kontext gesehen und auch behandelt werden müssen als früher. Nachhaltige Lösungen für die komplexen Problemlagen aber sind nur in einem engen Zusammenwirken aller Komponenten der humanitären Welt sowie der betroffenen Bevölkerungen selbst möglich. Nationale Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, koordiniert durch Föderation und gegebenenfalls auch das IKRK, können und werden hier auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten, aber eben auch nur einen Beitrag.
    Und schließlich fügt sich auch das typische Gewaltszenario der Gegenwart allzu oft nicht mehr in die Kategorien der Genfer Konventionen ein. Gewalt ist zum alltäglichen und oftmals lebenslangen Begleiter vieler Millionen Menschen überall auf der Welt geworden, ob in «Failed States» wie Somalia, im Drogenkrieg in Mexiko, im Kongo, in Mali, in Afghanistan und anderswo. Auf diese und andere Veränderungen in der Konfliktwirklichkeit kann und muss das Internationale Komitee versuchen durch politische und rechtliche Impulse Antworten zu geben. In dieser Funktion ist es konkurrenzlos und wird es auch in Zukunft bleiben. Staaten und immer neue sub- und suprastaatliche Akteure werden aber nur dann auch in Zukunft uneingeschränkt bereit sein, den Sonderstatus des IKRK als einer
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