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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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Gewinn, für nichtstaatliche Akteure im Kampf um politische Macht eine Statusaufwertung. Kein Wunder, dass die legitimen Träger der Symbole der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung erhebliche, auch juristische Anstrengungen zum Schutz «ihres» Emblems unternehmen. Eine im Jahre 2011 veröffentlichte Studie des IKRK verdeutlicht auf über 300 Seiten die Gefahren einer unkontrollierten Verbreitung des Symbols selbst, aber auch verwechslungsfähiger Imitate: Wenn nicht mehr sicher ist, dass hinter Rotem Kreuz/Rotem Halbmond eine Organisation steht, die den fundamentalen Prinzipien der Bewegung verpflichtet ist, dann droht nicht nur das Symbol selbst seine Schutzfunktion zu verlieren – mit unabsehbaren Folgen für die Opfer. Auch die humanitäre Autorität der Organisation selbst, die ganz wesentlich auf dem Vertrauen in ihre Neutralität und Unabhängigkeit ruht, droht erheblichen Schaden zu nehmen: An der gewaltsamen Befreiungsaktion der Oppositionspolitikerin Ingrid Betancourt im Jahre 2008 beteiligte Geheimdienstmitarbeiter trugen zur Täuschung der Geiselnehmer Westen mit dem Rotkreuzsymbol. Ein schwerer Verstoß gegen die Genfer Konventionen, für den sich die Regierung Kolumbiens denn auch zu Recht ohne Wenn und Aber entschuldigt hat.
    Aber wen genau schützt dieses Zeichen überhaupt, wen oder was meinen wir eigentlich, wenn wir vom Roten Kreuz sprechen? Die Statuten der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegungvon 1986 geben Aufschluss. Danach gilt es drei Komponenten strikt zu unterscheiden: erstens die derzeit 188 anerkannten nationalen Gesellschaften. Zweitens deren Dachverband, die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRK), mit einem großen Sekretariat in Genf sowie derzeit weltweit etwa 60 Delegationen. Und schließlich drittens das 1863 in Genf gegründete Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).
    Die Kriterien, welche eine nationale Gesellschaft erfüllen muss, um vom IKRK anerkannt und von der Föderation als Mitglied aufgenommen zu werden, sind heute klar definiert – jedenfalls auf dem Papier.
    Indes, die Aufnahme in die internationale Rotkreuzbewegung ist von der Staatengemeinschaft stets auch als politischer Akt wahrgenommen worden. Und so wird eine derartige Entscheidung gerade in Grenzfällen eben doch nicht immer nur anhand des objektiven Kriterienkatalogs gefällt. Die Aufnahme des palästinensischen Roten Halbmondes im Jahre 2006 kann schlichtweg nur als Teil einer politischen Paketlösung erklärt werden (gleichzeitige Aufnahme der israelischen Gesellschaft sowie Anerkennung des Roten Kristalls als neues Schutzzeichen), denn das Kriterium Nr. 1 (Errichtung auf dem Gebiet eines unabhängigen Staates) erfüllt diese Gesellschaft mit Sicherheit nicht. Wann dieses Kriterium im Falle der kosovarischen Gesellschaft bejaht werden wird, hängt sicher nicht nur von völkerrechtlichen Überlegungen ab (Vorliegen der Staatseigenschaft), sondern auch solchen politischer Natur. Die jüngst erfolgte Anerkennung der Rotkreuzgesellschaft der Republik Zypern (2012) ist nicht nur von der Türkei mit Protesten und Repressalien beantwortet worden, sondern hat natürlich auch die legitime Frage aufgeworfen, wann und unter welchen Umständen der gleiche Schritt zugunsten des nordzypriotischen Roten Halbmondes zu erfolgen habe. Die Aufnahme von Gesellschaften aus territorialen Gebilden ohne volle Staatlichkeit ist in der Geschichte der Rotkreuzbewegung alles andere als präzedenzlos. Dass die bereits 1912 erfolgte Anerkennung der nationalen Gesellschaft der Republik China (Taiwan) zwar vom IKRK offensichtlichnie zurückgenommen wurde, diese Gesellschaft bis heute aber von der Föderation noch nicht einmal als Beobachter akzeptiert wird, fällt ebenso in die Kategorie «hohe Politik» wie die Hinnahme der Mitgliedschaft zahlreicher Gesellschaften, bei denen die volle Beachtung des Kriteriums Nr. 8 (Diskriminierungsverbot) mehr als zweifelhaft erscheint. Und so zeigt sich auch hier wiederum sehr deutlich: Trotz allen ehrlichen Bemühens um Neutralität, Unabhängigkeit und Staatsferne agiertdie internationale Rotkreuzbewegung in einem hochpolitischen Kontext und muss dies bei ihrem Handeln oft genug eben auch als eine sehr konkrete Realität berücksichtigen.
    Statuten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung (1986)
    Artikel 4: Bedingungen für die Anerkennung Nationaler Gesellschaften
    Um als Nationale Gesellschaft […] anerkannt zu werden, muss die
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