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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band
Autoren: Dana Graham
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ich einer traurigen Pflicht nachkommen. Unser langjähriger Fechtmeister, Adamo of Draken House, wird Greystone aus Altersgründen verlassen. Seine ehrenvollen Verdienste beim Aufbau dieser Akademie …“
    Joanna gelang es nicht, sich auf die Worte ihres Bruders zu konzentrieren. Ihr war übel. Was sollten sie tun, wenn die Anwesenden keinen Ehrlosen als Fechtmeister billigten und darauf bestanden, dass Ian die Burg verließ? Das Gesetz des Landes wäre auf ihrer Seite, sie hatten das Recht, ihn fortzujagen. Joanna biss sich auf die Unterlippe. Ein Leben ohne Ian konnte sie sich nicht mehr vorstellen, doch wie wollte Jake die Menschen hier überzeugen, ihn anzuerkennen? Es widersprach allen Traditionen. Ians Worte fielen ihr ein, und sie zwang sich trotz ihrer Angst zu einem Lächeln. Alles würde gut gehen, es musste! Aber warum konnte es nicht schon vorbei sein?
    „… und somit verabschiede ich mich von Adamo und wünsche ihm Gesundheit und ein langes Leben.“ Jake reichte Adamo die Hand und verbeugte sich. Beifall erklang, als der ältere Mann zurück in den Saal ging.
    Jetzt war es soweit! Joannas Magen verkrampfte sich. Warum hatten sie nicht auf Ronens Einwände gehört? Es war wirklich völlig unnötig, Ians Ehrlosigkeit öffentlich zu machen. Sie musste Jake unbedingt daran hindern, den Standesverlust preiszugeben.
    In diesem Moment hob ihr Bruder erneut an: „So schwer mir Adamos Weggang fällt, er wird erleichtert durch den Umstand, bereits einen Nachfolger gefunden zu haben.“ Er nickte Ian zu, der daraufhin zu ihnen nach vorne kam und sich mit entschlossenem Gesichtsausdruck neben ihn stellte.
    Ein neugieriges Murmeln setzte ein, und die hinten stehenden Gäste reckten sich, um einen Blick auf den neuen Fechtmeister zu erhaschen. Joanna nutzte die Unruhe im Saal. „Jake!“, zischte sie. „Bitte verschweig Ians Ächtung, es ist zu riskant!“ Doch ihr Bruder schüttelte den Kopf, und sie merkte, wie die Panik sie zu überwältigen drohte. Galad, der hinter ihr stand, schien es ebenfalls zu bemerken, denn er trat einen Schritt näher an sie heran und berührte unauffällig ihre Hand. Kurz überlegte sie, eine Ohnmacht vorzutäuschen, aber es würde die Ereignisse nur verzögern, nicht verhindern.
    „Ian wird die Stellung des Fechtmeisters übernehmen“, erklärte Jake laut.
    „Ian wer ?“, fragte ein Lord aus den vorderen Reihen, und Joannas Fingernägel bohrten sich in ihre Handflächen.
    Der Blick ihres Bruders wurde ernst. „Ian führt keinen Familiennamen mehr, seit er vor einem Jahr enterbt wurde. Unglücklicherweise hat sein Vater ihm gegenüber auch die Lex patris angewendet. Meiner Ansicht nach vollkommen zu Unrecht, worüber König Theodoric bereits in Kenntnis gesetzt worden ist. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg werde ich persönlich bei Seiner Majestät vorsprechen, um eine Wiedererhebung Ians in den Adelsstand zu erreichen.“
    Ein Raunen ging durch die Menge, das von Verwunderung bis Unmutsbekundungen alles enthielt.
    „Verstehe ich das richtig, Earl, Ihr ernennt einen Ehrlosen zum Fechtmeister?“ Die Stimme des Lords, der nach Ians Familiennamen gefragt hatte, klang fassungslos.
    „Genauso ist es“, antwortete Jake. „Ian ist ein hervorragender Kämpfer und ein noch besserer Lehrer.“
    „Aber ehrlos!“, rief der Mann aufgebracht. „Sein Vater wird einen guten Grund gehabt haben, ihn zu ächten!“
    Zustimmende Rufe erklangen aus allen Ecken des Saales, und Joannas Hals schnürte sich zu. Das durfte nicht sein! Sie sah, wie die Männer der Burgwache unauffällig den Festsaal betraten, und der Oberbefehlshaber zu Jake blickte. Sollten die Gäste die bewaffneten Soldaten bemerken, würden sie es als Affront werten, und Kampfhandlungen wären unvermeidlich! Doch noch ergingen sich die Lords in Schimpftiraden über Ian.
    „Wer weiß, welche Schandtaten er begangen hat!“, rief jemand.
    „Richtig!“, stimmte ein anderer lautstark zu. „Wahrscheinlich ist er ein Halunke oder sogar ein Mörder, hinaus mit ihm!“
    In diesem Augenblick gab Jake ein Zeichen, und Joanna erstarrte vor Angst. Doch nicht die Soldaten der Burgwache traten hervor, sondern Ronen. Erleichtert atmete sie auf. Ronens Aufgabe hatte sie völlig vergessen!
    „Ich bin Ronen of Darkwood, erstgeborener Sohn und Ians älterer Bruder. Ich versichere Euch, Ian hat nichts getan, was die Lex patris rechtfertigen würde.“
    Doch die Kritiker gaben sich nicht geschlagen. „Trotzdem ist er ehrlos“,
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