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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band
Autoren: Dana Graham
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Tanzfläche verließen. „Erst eine Pavane und dann noch eine Gaillard.“
    Lady Claudine verzog verächtlich den Mund. „Lady Joanna sollte wirklich mehr Wert auf ihre Begleitung legen“, antwortete sie ihrer Freundin und setzte laut hinzu: „Sonst ist ihr guter Ruf bald dahin!“
    Joanna seufzte. Lady Claudine und Lady Violett waren zwei Witwen aus der näheren Umgebung, deren Augen und Ohren trotz ihres fortgeschrittenen Alters selten etwas entging.
    „Wie es aussieht“, sagte Ian, „kann ich mein Versprechen von heute Vormittag, deine Ehre zu verteidigen, gleich einlösen.“ Er grinste. „Soll ich mich mit den beiden Damen hier im Festsaal duellieren oder sollte ich sie dazu besser auf den Balkon bitten?“
    „Verdient hätten sie es“, grollte Joanna. „Das würde ihnen die Lust am Lästern für lange Zeit austreiben. Doch heute Abend ist Überhören wohl die vernünftigere Strategie.“
    „Wir sollten uns zu einer Gruppe gesellen, dann fallen wir weniger auf“, schlug Ian vor und wies mit der Hand in die gegenüberliegende Ecke des Raumes. „Da hinten stehen Bennett, Jake und einige Absolventinnen, lass uns zu ihnen gehen.“
    Joanna nickte. Die Tatsache, dass Ian sie mit Scherzen aufzuheitern versuchte, täuschte sie nicht darüber hinweg, dass auch er angespannt war. Sie kannte ihn gut genug, um den harten Ausdruck zu deuten, der schon den ganzen Abend in seinen Augen lag: Ian stand ebenfalls am Rande dessen, was er für einen Tag ertragen konnte. Sich zu Menschen zu begeben, die ihnen wohlgesonnen waren, war das Beste, was sie jetzt tun konnten.
    Während sie sich ihren Weg durch den vollen Festsaal bahnten, fing Joanna immer wieder abfällige Blicke auf. Ihr Tanz mit Ian hatte offensichtlich mehr Anstoß erregt, als sie gedacht hatte. Das war nicht gut, doch es war nicht zu ändern. Und mit der Zeit, so hoffte sie, würde Ians Ehrlosigkeit vielleicht sogar in Vergessenheit geraten. Unvermittelt tauchte ein Diener mit einem Tablett voll Weinbecher vor ihnen auf, und Ian und sie blieben stehen, um ihn passieren zu lassen. Neben ihnen waren zwei Männer in eine lebhafte Unterhaltung vertieft, deren Thema nicht ungünstiger hätte sein können.
    „Der Earl of Greystone hat zu früh zu viel Macht bekommen“, erklärte der ältere der beiden. „Das ist ihm zu Kopf gestiegen.“
    „Ihr habt recht, Lord Langley. Ein Ehrloser als Fechtmeister – was für eine Beleidigung für uns alle!“, entgegnete sein Gesprächspartner, ein Mann mit strähnigen Haaren und fahler Haut.
    Joanna erkannte ihn sofort als den Viscount of Adcoque und erschrak. Der Viscount war ein unangenehmer Mensch, mit dem Jake bereits einige Auseinandersetzungen gehabt hatte, der aber trotzdem auf jeder Feierlichkeit in Greystone erschien.
    „Hoffentlich hat der Earl diesem Geächteten wenigstens Manieren beigebracht“, sagte Lord Langley.
    „Das werden wir gleich herausfinden“, erwiderte der Viscount of Adcoque und lächelte süffisant. „Zufällig steht er neben uns.“ Er drehte sich zu Ian um, sodass eine auffällige Narbe an seinem Hals sichtbar wurde. „Sieh an, der ehrlose Fechtmeister“, sprach er Ian an und musterte ihn herablassend. „Du gehörst vor das Burgtor und nicht in einen Festsaal! Steht es mit Greystone so schlecht, dass der Earl solch ein Gesindel wie dich einstellen muss?“
    Joanna spürte, wie Ian sich neben ihr versteifte, und wurde unruhig. Er durfte keinesfalls auf die Provokation eingehen und sich auf einen Streit mit Adcoque einlassen!
    „Ihr vergesst Euch, Mylord“, erwiderte Ian höflich, doch auf seiner Stirn bildete sich eine steile Falte.
    Besorgt sah Joanna ihn an. Sie ahnte, wie viel Kraft es ihn kosten musste, die Beleidigungen zu ignorieren.
    „Von jemandem wie dir muss ich mich nicht belehren lassen!“ Adcoque legte die Finger auf seinen Schwertknauf. „Weißt du, was passiert, wenn ein Adliger einen Ehrlosen tötet?“ Ein boshaftes Grinsen erschien in seinem Gesicht. „Nichts, was man nicht mit ein paar Goldmünzen lösen könnte. Im umgekehrten Fall aber, wenn der Ehrlose seine Waffe nur anfasst …“ Er machte eine Handbewegung entlang seines Halses.
    Angewidert trat Ian einen Schritt nach hinten, und Joanna stellte sich schnell zwischen ihn und den Viscount. Sie wusste nicht, wie lange Ian sich noch würde zurückhalten können.
    Der Viscount lachte voll Genugtuung. „Los, Fechtmeister, zieh dein Schwert und kämpf mit mir, wenn du mutig genug bist! Oder willst du
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