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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band
Autoren: Dana Graham
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enterbte er ihn nicht nur, sondern schloss ihn mittels eines alten Gesetzes, der Lex patris, auch aus dem Adelsstand aus und erklärte ihn für ehrlos. Letzteres hatten Jake und Ian ihr bis heute verschwiegen, um sie nicht zu belasten. Auch alle anderen Burgbewohner wussten nur von Ians Enterbung, nicht aber von der viel verhängnisvolleren Ächtung. Denn Ehrlose, zu denen Bettler, Huren und Verbrecher zählten, waren gesellschaftlich Ausgestoßene und durften Dörfer, Städte und Burgen bei Strafe nicht betreten. Sie waren so gut wie rechtlos und auf die Almosen und die Barmherzigkeit ihrer Mitmenschen angewiesen. Nur der König besaß die Macht, Ian wieder in den Adelsstand zu erheben und dadurch seine Ehrlosigkeit zu beenden. Doch der König befand sich auf einem Feldzug, und sie mussten seine Rückkehr abwarten, so schwer es ihnen auch fiel. Die heutige Bekanntgabe von Ians Ehrlosigkeit war ein Risiko – genau wie die Alternative, sie weiterhin zu verbergen.
    Bennett, der das Aufeinandertreffen der beiden Brüder ebenfalls aufmerksam verfolgt hatte, trat zu Ian. „Schön, dich endlich wiederzusehen“, sagte er und drückte Ians Hand.
    „Es ist wirklich lange her“, gestand Ian und lächelte Bennett an, den er zu Beginn des Jahres bei seinem Besuch in Lionsbridge kennengelernt hatte. „Warum bist du überhaupt hier?“, erkundigte er sich.
    „Na, deinetwegen! Genauer gesagt wegen deiner Ernennung zum nächsten Fechtmeister der Akademie von Greystone. Jake hat mich bereits vor Wochen eingeladen, ebenso wie Ronen.“ Bennett bemerkte Ians verblüfften Gesichtsausdruck. „Weißt du von dieser Einladung an uns gar nichts?“, fragte er erstaunt.
    „Nein“, antwortete Ian, und seine Miene verdunkelte sich, „denn Jake hat mir erst heute Mittag eröffnet, dass ich auf der Burg bleiben darf und im kommenden Ausbildungsjahr die Stellung des Fechtmeisters bekleiden werde.“
    „Dann hat er dich verdammt lange hingehalten“, entgegnete Bennett, der sich über diesen Sachverhalt zu ärgern schien.
    „Es sollte eine Überraschung für Ian werden“, sagte Jake, der ihnen zugehört hatte.
    „Wohl eher eine Hintertür, falls du noch jemand besseren gefunden hättest“, erwiderte Ian kühl. Er sollte nicht enttäuscht sein. Jake mochte ihn nicht, mit dieser Tatsache musste er sich endlich abfinden und seine Hoffnung auf eine Freundschaft mit ihm aufgeben.
    „Jake, du kannst dich glücklich schätzen, wenn Ian dein Fechtmeister wird“, sagte Bennett. „In deiner Situation kannst du gar nicht genug loyale Freunde haben.“
    Jake sah Bennett warnend an und wies mit dem Kopf auf Ronen, der gerade sein Gespräch mit Joanna beendet hatte und zu ihnen herüberblickte.
    Bennett verstand die Andeutung, in Gegenwart Ronens Stillschweigen über die Beziehung zwischen Jake und Galad zu wahren. „Wie sieht der Plan für heute Abend aus?“, wechselte er das Thema.
    „Bis auf eine unvorhergesehene Änderung“, Jake warf Joanna und Ian einen vorwurfsvollen Blick zu, „wie besprochen. Zuallererst muss ich die plötzliche Rückkehr meiner Schwester erklären ...“
    „Halt!“, unterbrach ihn Ronen. „Wieso habe ich das Gefühl, der Einzige in diesem Raum zu sein, der nicht weiß, worum es eigentlich geht? Jake, warum schaust du Joanna und Ian so tadelnd an? Könntest du mich bitte aufklären?“
    „Nun, sagen wir so“, antwortete Jake, „in nicht allzu ferner Zukunft werden unsere beiden Familien nicht nur durch Freundschaft miteinander verbunden sein.“
    „Oh, Jake!“ Joanna rollte mit den Augen. „Umständlicher kann man es nicht ausdrücken.“ Sie trat neben Ian und legte ihre Hand auf seinen Oberarm. „Ronen, Ian und ich wollen heiraten.“
    Ein eigentümlicher Ausdruck überzog Ronens Gesicht. „Das ist … das sind überraschende Neuigkeiten.“
    „Ja, das kann man so sagen“, erwiderte Jake trocken. „Allerdings müssen wir sie bis zu Ians Wiedererhebung in den Adelsstand geheim halten. Eine Verlobung Joannas mit einem Ehrlosen wäre ein Skandal, den die Akademie von Greystone nicht unbeschadet überstehen würde. Deshalb muss ich mir eine glaubwürdige Ausrede einfallen lassen, warum Joanna sich nicht, wie angekündigt, mit Prinz Kaylan auf der Reise ins Südland befindet, sondern hier. Und eine Bemerkung, dass Galad nach einem halben Jahr wieder da ist, schadet auch nicht. Dann verleiht die Prüfungskommission den Studenten die Urkunden, das Essen beginnt und anschließend verabschiede ich unseren
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