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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt
Autoren: Graeme Simsion
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Software einstellt.«
    »Das wusste ich nicht«, sagte Julie. »Sie lassen mich das Ganze wirklich in einem neuen Licht sehen.« Einen Moment lang musterte sie mich eingehend. »Haben Sie noch Zeit für einen Drink?« Dann legte sie ihre Hand auf meine Schulter.
    Ich zuckte zusammen. Definitiv unangemessener Körperkontakt. Hätte ich so etwas bei einer Studentin gemacht, hätte das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Problem gegeben, vermutlich eine Beschwerde wegen sexueller Belästigung bei der Dekanin, was Konsequenzen für meine Karriere gehabt hätte.
Sie
dagegen würde natürlich von niemandem kritisiert werden!
    »Leider habe ich noch andere Dinge auf meinem Terminplan.«
    »Sind Sie da nicht flexibel?«
    »Definitiv nicht.« Nachdem ich die verlorene Zeit erfolgreich wieder aufgeholt hatte, würde ich mein Leben unter keinen Umständen wieder dem Chaos preisgeben.
     
    Bevor ich Gene und Claudia kennenlernte, hatte ich zwei andere Freunde. Meine erste Freundin war meine ältere Schwester. Obwohl sie Mathematiklehrerin war, hatte sie wenig Interesse an Fortschritten auf diesem Gebiet. Aber sie wohnte in der Nähe, und wir besuchten einander regelmäßig zweimal pro Woche und manchmal auch ungeplant. Wir aßen zusammen und sprachen über triviale Dinge wie Ereignisse in den Leben unserer Verwandten und soziale Interaktionen mit Kollegen. Einmal pro Monat fuhren wir sonntags nach Shepparton zum Mittagessen mit unseren Eltern und unserem Bruder. Meine Schwester lebte allein, was vermutlich daran lag, dass sie schüchtern und nicht in konventioneller Weise attraktiv war. Infolge von massiver und unentschuldbarer medizinischer Inkompetenz ist sie inzwischen gestorben.
    Meine zweite Freundin war Daphne, deren Freundschaft sich zeitlich mit der zu Gene und Claudia überschnitt. Nachdem ihr Mann aufgrund seiner Demenz in ein Pflegeheim eingewiesen worden war, zog Daphne in die Wohnung über mir ein. Wegen schwerer Knieprobleme, die durch ihr Übergewicht noch verstärkt wurden, konnte sie nicht mehr als ein paar Schritte gehen, aber sie war sehr intelligent, und ich fing an, sie regelmäßig zu besuchen. Da sie in ihrer Ehe die traditionelle Hausfrauenrolle eingenommen hatte, besaß sie keinerlei formale Qualifikationen, was ich als extreme Talentvergeudung betrachtete – vor allem, da ihre Nachkommen die von ihr empfangene Zuwendung nicht erwiderten. Daphne interessierte sich sehr für meine Arbeit, und wir entwickelten das Bring-Daphne-Genetik-bei-Projekt, das uns beide faszinierte.
    Bald kam sie regelmäßig zu mir zum Abendessen, denn es ist erheblich wirtschaftlicher, eine Mahlzeit für zwei Personen zu kochen als zwei einzelne Mahlzeiten. Jeden Sonntag um 15  Uhr besuchten wir ihren Mann im Pflegeheim, das 7 , 3  Kilometer entfernt lag. Auf diese Weise konnte ich einen 14 , 6  Kilometer langen Rollstuhl-Spaziergang mit interessanten Gesprächen über Genetik kombinieren. Während sie mit ihrem Mann redete, dessen Verständnisfähigkeit schwer zu bestimmen, aber definitiv niedrig war, las ich etwas.
    Daphne war nach dem Namen der Pflanze benannt worden, die zur Zeit ihrer Geburt, am achtundzwanzigsten August, blühte: Seidelbast, botanisch »Daphne«. Zu jedem Geburtstag hatte ihr Mann ihr Seidelbast geschenkt, was sie als hochromantisch empfunden hatte. Sie klagte, ihr bevorstehender Geburtstag sei der erste seit fünfundsechzig Jahren, an dem dieser symbolische Akt nicht ausgeführt werde. Die Lösung war offensichtlich, und bevor ich sie an ihrem achtundsiebzigsten Geburtstag zum Abendessen in meine Wohnung schob, hatte ich besagte Pflanze in großen Mengen für sie besorgt.
    Sofort erkannte sie den Duft und begann zu weinen. Ich dachte schon, ich hätte einen Fehler begangen, doch sie erklärte, es seien Tränen der Freude. Von dem Schokoladenkuchen, den ich für sie gebacken hatte, war sie ebenfalls beeindruckt, aber nicht im selben Maße.
    Während des Essens traf sie eine unfassbare Feststellung: »Don, Sie wären bestimmt ein wunderbarer Ehemann.«
    Dies stand in derart krassem Gegensatz zu meinen Erfahrungen mit Frauen, die mich abgewiesen hatten, dass ich vorübergehend verblüfft war. Dann legte ich Daphne die Tatsachen dar – die Geschichte meiner Versuche, eine Partnerin zu finden, die mit meiner Annahme als Kind begann, dass ich erwachsen werden und heiraten würde, und die damit endete, dass ich diese Vorstellung aufgab, nachdem immer klarer ersichtlich wurde, dass ich dafür
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