Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ritterdrama von Schreckenstein

Das Ritterdrama von Schreckenstein

Titel: Das Ritterdrama von Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
kommenden Nacht würden die Ritter wieder aktiv werden.
    Ausschlafen konnte Andi zu Hause nicht. Bereits um halb acht saß er, ziemlich weit oben — und von unten nicht zu sehen — in einer alten Linde, genau gegenüber der Ebert-Schule, die er seinerzeit — Gott sei Dank hatte verlassen müssen. Herr Schuster, der Leiter, so rechnete Andi, würde den Kleiderstreich sofort nach Rosenfels melden, und die Sachen abholen lassen.
    Da kam Konrad! Dieser Kerl, der Andi beim Handball mit einem Taschenspiegel so geblendet hatte, dass er zehn Schüsse ins Tor ließ, die er so ziemlich alle hätte halten können. Es war überhaupt ein merkwürdiges Gefühl, vor der ehemaligen Schule zu sitzen, die Typen kommen und hineingehen zu sehen. Die ersten kamen schon wieder heraus. In Röcken!
    So hatte auch Andi seinen Spaß an der Gaudi seiner alten Mitschüler. Doch das wurde schlagartig anders, als Herr Schuster vorfuhr. Zuerst gab es großes Gerede, das Andi nicht verstehen konnte.
    Dann wurden einige lange Tische herausgetragen und darauf die Textilien aus allen Klassenzimmern geordnet. Hosen zu Hosen, Röcke zu Röcken, Pullover zu Pullovern.
    Fünf Schüler waren mit dem Ordnen beschäftigt, unter ihnen der lange Jerry, die andern schleppten heran, ehe für sie, nicht ganz pünktlich, der Unterricht begann.
    Andi konnte im ersten Stock die Köpfe sehen. Alle in eine Richtung schauend, und nur einer dagegen, wie beim Achter mit Steuermann. Unten auf der Straße fuhr ein Kleinlaster mit angehängtem Graswagen vorbei.
    Dann kroch die Zeit.
    Als es neun Uhr schlug und der Ast, auf dem Andi saß, seinem Hinterteil schon erheblich zu schaffen machte, musste er zweimal hinsehen, um es glauben zu können: ein Traktor kam daher, mit angehängtem Graswagen, auf dem die meisten der großen Mädchen saßen: Beatrix, Sophie, Ingrid, Renate, Bettina, Konstanze, Sabine. Dahinter, in ihrem Wagen, Fräulein Dr. Horn und Sonja Waldmann. Wie ein Kriminalkommissar marschierte die Leiterin durch das Tor. Die Mädchen folgten. Der Bauer, den Andi vom Sehen kannte, fuhr den Graswagen rückwärts zu- den Tischen, und im Nu glich der Schulhof einem Hühnerhof. Alle gackerten und flatterten durcheinander, pickten Einzelstücke aus den Textilbergen, nahmen sie an sich oder legten sie wieder weg.

    Wenn dabei etwas kaputtging, waren sie selber schuld. Sonja brachte sie langsam zur Vernunft. Die Mädchen gaben ihre Suche auf und packten alles ziemlich ordentlich auf den Wagen.
    Jerry schüttelte nur noch den Kopf.
    Rektor Schuster kam heraus und redete sehr heftig und gestenreich mit Fräulein Dr. Horn. Den Gebärden nach waren sich beide in ihrem Verdacht einig. Andi konnte den Text nachempfinden:
    „Unerhört! Die Ebert-Schüler also. Und man hatte, wie immer, zuerst an den Schreckenstein gedacht. Aber die Schuldigen werden ermittelt werden! Auch wenn sie’s nicht zugeben!“
    Wichtige Unterredungen dauern bekanntlich so lang, bis andere das Wichtige erledigt haben. Als der Wagen vollgeladen war, verabschiedete sich Fräulein Dr. Horn umgehend von Rektor Schuster.
    Wenn die wüsste, was noch kommt! dachte Andi in seiner Linde.
    Der Geleitzug fuhr davon. Andi kletterte herunter, hatte genug gesehen, um nicht mehr mit Ebert-Schülern reden zu müssen, was entschieden besser war. Vorbei an einer Bäckerei, wo er sich Bonbons kaufte — weil man die vor dem Zahnarzt essen soll, nicht danach — begab er sich zu Dr. Bender.
    Die Rückfahrt auf den Schreckenstein gestaltete sich für ihn als Rennfahrer auf dem Mädchendrahtesel, dessen Sattel sich nicht hoch genug stellen ließ, zu einem Ärgernis. Wir Idioten! schimpfte er laut auf der Steigung im Wald.
    Warum haben wir nicht unsere eigenen Räder mitgenommen? Womöglich kommt dadurch raus, dass wir’s waren! Das sagte er, rechtzeitig zum Mittagessen zurück, auch allen, die es betraf, und seinen Freunden vom Ritterrat. Mücke gab ihm sofort recht. „Wir rudern die Räder heute nacht rüber und stellen sie in den alten Schweinestall! Dann sieht’s wenigstens so aus, als ob sie gar nicht weg gewesen wären.“
    Mit seinem Bericht aus der Wipfelperspektive erntete Andi großes Gelächter und allgemeines Lob. Auch die Messhöhen sämtlicher Türklinken der Ebert-Schule hatte er dabei. Die Ritterschaft konnte mit dem bisherigen Verlauf des Langzeitstreichs zufrieden sein.
    „Denen werden wir ihre voreiligen Urteile austreiben!“ meinte Dampfwalze.
    Falls irgendwo ein heimlicher Beobachter lauern sollte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher