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Das Ritterdrama von Schreckenstein

Das Ritterdrama von Schreckenstein

Titel: Das Ritterdrama von Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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der Selbstregierung, begaben sich die Ritter in ihre Zimmer und redeten dort noch lange weiter. Wie sie tatsächlich aussehen könnte, diese Selbstregierung, darüber machte sich der Ritterrat Gedanken, und das, versteht sich, in der Folterkammer.
    Dampfwalze lag wie gewöhnlich auf der Streckbank, Mücke saß beinebaumelnd auf dem steinernen Richtertisch, dahinter lagerten mit hochgelegten Beinen Ottokar, Stephan und Hans-Jürgen, der Dichter, in den drei Richtersesseln. Andi und Dieter hockten auf Holzscheiten vor dem Kamin.
    „Ich bin dafür, dass wir nur nachmittags regieren!“ witzelte Klaus, an die eiserne Jungfrau gelehnt. „Vormittags schlafen wir und frühstücken ausgiebig.“
    „Mann!“ ereiferte sich Andi. „Jeden Tag ausschlafen — was wir da nachts für schöne Streiche machen könnten! Gegen Rosenfels zum Beispiel. Aber die Mädchen sind ja in Ferien...“
    „Und wir dürfen hier nicht weg“, fügte Dieter hinzu.
    „Wichtig ist die Frage: Was machen wir den ganzen Tag?“ Ottokar sah in die Runde.
    „Neue Rekorde aufstellen zum Beispiel“, schlug Klaus vor und dachte wohl an die Mittelstrecken, vierhundert und achthundert Meter.
    „Rekorde im Stubenhocken?“ fragte Mücke.
    Stöhnend vor Kraft erhob sich Dampfwalze von der Streckbank.
    „Auf den Sportplatz werden wir ja noch dürfen! Der ist nämlich auch infektionsverdächtig. Heute Mittag war ich noch beim Kugelstoßen.“
    Dieter wandte sich an ihn und Andi. „Aber eure Rennräder könnt ihr einmotten!“
    Mit offenem Mund machte der Muskelprotz nicht den intelligentesten Eindruck, und stur wiederholte Ottokar seine Frage:
    „Was machen wir den ganzen Tag?“
    „Endlich mal nichts!“ rief Dieter. „Das wünsche ich mir schon lange. Auf der Burg sein — und nichts müssen!“
    „Gut!“ Mücke zwinkerte Ottokar und Stephan zu. „Dann stellst du einen Rekord im Nichtstun auf!“
    „Ja, Freunde!“ Dampfwalze gähnte wie ein Flusspferd. „Bei dem Rekordfieber gehen wir am besten ins Bett.“
    „Und wo bleibt die Tradition?“ fragte Hans-Jürgen.
    „Richtig!“ Klaus schlug sich vor die Stirn. „Wir sitzen ja völlig auf dem Trockenen.“
    Ohne ein weiteres Wort verließen sie die Folterkammer und saßen alsbald bei Wasserrauschen und Radiomusik im Duschraum, jeder auf einem Stuhl hinter einem Waschbecken, dessen Mischbatterie in angenehmer Temperierung voll aufgedreht war, tranken Limonade und Fleischbrühe, teilten sich die restlichen Süßigkeiten aus den Fresspaketen von zu Hause und drückten ihre großen Naturschwämme ein ums andere Mal am Körper aus, bis der Nachbar im Wasserdampf verschwunden war. „Schwemmen“ nannten sie diese übergründliche Reinigung am Ende des Trimesters, die andauerte, bis der letzte Tropfen Warmwasser an den Mann gebracht war. Plötzlich tauchten die Umrisse zweier Ritter aus dem Nebel auf.
    „Mann!“ brummte Pummel. „Ich denke doch die halbe Nacht schon, dass mir irgendwas fehlt!“
    „Woran soll man den Ferienanfang sonst merken?“ pflichtete ihm Eugen bei und klatschte sich den Schwamm auf die Brust. „Versteht ihr, wieso nicht mehr da sind?“ wunderte sich Andi.
    „Wahrscheinlich hat einer .behauptet, dass man sich bei Quarantäne nicht waschen darf“, alberte Klaus.
    „Dieter?“ fragte plötzlich eine Stimme aus dem Nebel.
    „Dieter?“ Sie klang nach Dampfwalze. Eine Antwort blieb jedoch aus.
    „Der hat schon mit dem Nichtstun angefangen!“ Diese Stimme klang nach Hans-Jürgen.
    „Eigentlich darf er dann auch nicht schlafen!“ Das hörte sich nach Stephan an.
    Was sie versäumt hatten, merkte die Mehrzahl der Ritter erst am nächsten Morgen: Es tröpfelte nur noch lauwarm. Dafür gab es eine zusätzliche kalte Dusche und zwar in Form einer Nachricht.
    „Die vier Minis sind weg! Spurlos verschwunden“, berichtete Emil. Als Wecker vom Dienst war er, zwei Stunden später als sonst, mit dem gewohnten Ruf „ Aufstehen, Dauerlauf!“ durch alle Zimmer gegangen. Dabei hatte er die Betten der vier kleinsten Ritter leer gefunden.
    „Das fehlt noch, dass die fehlen!“ schimpfte der wortgewandte Mücke.
    Werner lachte. „Vielleicht haben ihnen ihre Muttis einen Streich gemacht und die lieben Kleinen nach Hause mitgenommen.“
    „Da müsst ich aber lachen, haha!“ sagte Witzbold Klaus todernst.
    Gewohnheitsmäßig begaben sich die Ritter in Turnhose und Turnschuhen zum Portal. Dort stand Dieter im gleichen Aufzug.
    „Dauerlauf? Spinnt ihr?“ rief er ihnen zu. „Ab
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