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Das Reich des Lichts

Das Reich des Lichts

Titel: Das Reich des Lichts
Autoren: Santiago García-Clairac
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was ich gehört habe, ist das eine beeindruckende Zeremonie. Die Leute werden von überall her kommen, um daran teilzunehmen. Viele Staatsmänner aus anderen Ländern haben mir bereits gratuliert.
    Eigentlich wollte ich dir eine Frage stellen. Eine wichtige Frage. Papa habe ich sie auch schon gestellt, aber ich habe keine Antwort erhalten. Deswegen bin ich hier, damit du mir sagst, was ich unbedingt wissen muss. Ich weiß, dass du und nicht ein Ölgemälde mich auf die Welt gebracht hast. Wer in diesem Sarkophag liegt, bist du, Reyna, meine Mutter. Also erwarte ich eine Antwort von dir, bitte …“
    Ich mache eine kurze Pause, bevor ich meine Frage stelle:
    „Mama, wo befindet sich mein Körper? Wo bin ich?“
    Was folgt, ist absolute Stille, begleitet vom Summen der Buchstaben.
    „Ich weiß, dass du es weißt, Mama! Du musst es mir sagen!“
    Stille.
    „Ich glaube, mein Körper befindet sich …“, sage ich leise.
    „Hier, bei mir“, flüstert eine Stimme, die von irgendwoher außerhalb dieser Welt kommt. „An meiner Seite.“
    „In dem Sarkophag, stimmt’s?“
    „Ja, Arturo. Du liegst in meinen Armen, auf meiner Brust.“
    „Wann kommst du zu uns? Sombra und Papa haben versucht, dich in Normas Körper wiederzubeleben, aber es hat nicht geklappt. Wann werde ich dich sehen, Mama?“
    „Nie, mein Sohn. Wir werden uns in der Welt der Lebenden niemals begegnen.“
    „Willst du mich denn nicht wiedersehen?“, frage ich. „Willst du nicht mit mir zusammen sein?“
    „Im Gegenteil! Ich bin im Abgrund des Todes, um bei dir zu sein. Ich halte dich auf dem Arm und werde dich niemals allein lassen. Dafür liebe ich dich viel zu sehr.“
    „Aber ich brauche dich hier, Mama!“, rufe ich. „Ich habe schon so viel gelitten und fühle mich sehr allein! Mir fehlt deine Liebe!“
    „Meine Liebe ist bei dir. Deswegen lasse ich dich nicht allein. Ich werde in alle Ewigkeit bei dir bleiben. Wir sind für immer vereint. Ich bin deine Mutter, und du bist mein Sohn. Nichts wird uns jemals trennen können.“
    „Ich vermisse dich so sehr, Mama! Ich möchte dich kennenlernen und dir zeigen, wie lieb ich dich habe.“
    „Auch er braucht mich, Arturo. Er ist ein schutzloses Baby, das noch nicht einmal sprechen kann. Ich werde ihn nicht allein lassen. Ich bin bei ihm, und das ist so, als wäre ich bei dir.“
    „Dann wirst du also nicht wiederauferstehen?“
    „Nein, mein Sohn, ich kann nicht. Ich bin die Sklavin deines Körpers. Ich bin die Hüterin deines kleinen Körpers. Ich bin mit dir verbunden, meinem Neugeborenen, der nie das Licht der Welt erblicken wird. Deshalb muss ich darauf verzichten, mit dir, Arturo, zusammen zu sein. Es tu mir leid, mein Schatz.“
    „Wie gern wäre ich bei euch!“
    „Du würdest nur den Körper einer Mutter und den ihres Kindes sehen. Du würdest unseren Frieden stören und uns nicht einmal erkennen. Bitte, Arturo, lass uns allein! Jetzt gerade wiege ich das Baby in meinen Armen. Es ist ganz ruhig. Wecke es bitte nicht auf …“
    Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich angefangen habe zu weinen. Ich bin sehr traurig. Mein Herz zieht sich zusammen bei dem Gedanken daran, dass sich mein erster Körper in diesem Steinsarg befindet,im Dunkeln, an meine Mutter geschmiegt. In mir kommt ein Gefühl von Einsamkeit und Ungeduld hoch, das ich nicht unterdrücken kann. Ich kann nur weinen. Um sie und um mich.
    „Weine mit uns, Arturo. Weine, dann spürst du unsere Gegenwart. Der Tod kann uns nicht trennen. Er verbindet uns miteinander. Du sollst wissen, dass wir hier drin alles sehen, was du tust. Du verdienst es, König von Arquimia zu werden, aber vor allem bist du der König meines Lebens.“
    Ich knie neben dem Sarkophag nieder und heule wie ein Schlosshund. Was würde ich darum geben, wenn ich sie sehen und umarmen könnte!
    In diesem Moment ist es mir egal, dass man mich zum König von Férenix krönen wird. Das Einzige, was mich interessiert, ist meine Mutter. Zu wissen, dass sie bei mir ist, im Abgrund des Todes, und mich nie verlassen wird, tröstet mich ein wenig und verleiht mir die Kraft, weiterzuleben.
    „Nur noch eine Sache, Mama … Warum ist Papa nach Ägypten gefahren, um das Pergament des Arquimaes zu suchen? Wer hat es dir hingelegt, damit du meinen Körper darin einwickeln solltest? Das war kein Zufall, nicht wahr?“
    Kurze Stille. Dann:
    „Du hast recht, Arturo, es war kein Zufall. Sombra und ich hatten alles vorbereitet. Ich war schuld daran, dass dein Vater auf
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