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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen
Autoren: Gabi Kreslehner
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erkennen und Weiden mit wehenden Ästen.
    »Fahren Sie zur Hölle!«, sagte sie. »Fahren Sie verdammt
noch mal zur Hölle!« Da begann er zu lachen. »Okay!«, lachte er. »Wenn ich
Ihnen damit einen Gefallen tue?« Als Port dazukam und Reuter ihn zu umgarnen
begann, erwachte sie, tauchte hoch aus dem breiten Bett und schaute sich
verwirrt um. Langsam kam die Erinnerung. Sie war in die Stadt zurückgefahren, hatte
sich gewünscht, an nichts mehr zu denken, es war ihr nicht gelungen. Dann war
sie abgefahren von der Autobahn, durch die Stadt, am Theater vorbei, an Ports
Haus vorbei. Groß war die Versuchung gewesen, stehen zu bleiben, zu klingeln,
in sein Bett, in seine Wärme zu fallen, sie hatte ihr nicht nachgegeben.
    Plötzlich, wie bestellt, war das Babenberger in ihrem
Blickfeld aufgetaucht, eines der wenigen Luxushotels, die sie in der Stadt
hatten, und die Aussicht auf ein riesiges, weiches Bett und ein strahlend
sauberes Bad hatte sie dazu gebracht, auf der Stelle stehen zu bleiben und
einzuchecken.
    »Sie haben kein Gepäck?«, fragte der Rezeptionist und
musterte sie misstrauisch. »Nein«, antwortete sie und setzte ihre
Polizistenmiene auf. Ob das ein Problem sei.
    »Selbstverständlich nicht«, beeilte sich der Mann hinter
dem Empfangstresen zu versichern. Gut, meinte sie, dann solle er schnell
machen, wenn er sie nicht vom Boden aufsammeln wolle.
    Der erschrockene Blick des Rezeptionisten sprach Bände,
immerhin tippten seine gepflegten Fingerchen hurtig alles Notwendige in den
Computer, und in null Komma nichts bezog sie ihr Zimmer, das in seiner Größe
durchaus einer mittleren Genossenschaftswohnung Konkurrenz machen konnte. Sie
war ins Bett gefallen und auf der Stelle eingeschlafen.
    Das war nun knappe vier Stunden her, und langsam dämmerte
ihre Erinnerung hoch, all die Ereignisse der letzten Tage stellten sich wieder
ein. Sie stand auf, hüllte eine Decke um sich und marschierte zum Fenster. Der
Morgen war verhangen und düster, grimmig wie ein Novembermorgen, tatsächlich
aber hatten sie Anfang Juli.
    Sie lehnte ihre Stirn an die kalte Fensterscheibe, zog die
Decke enger um sich und spürte, dass sie nicht ausgeschlafen war.
    Eine Dusche, dachte sie, ein Himmelreich für eine Dusche!
Aber so viel würde sie gar nicht zahlen und so weit gar nicht gehen müssen, das
Himmelreich war nah. Als sie in der Tür zum Bad stand und die weißen Keramiken
im warmen Licht der Deckenspots schimmerten und die Armaturen wie frisch
polierte Silberlinge glänzten, seufzte sie vor Zufriedenheit. Gut, dachte sie,
gut, dann schauen wir also diesem Morgen in die Augen und allem, was kommt.
Ben, dachte sie, wo bist du, warum meldest du dich nicht? Lange stand sie in
der Dusche, mit zurückgelegtem Kopf und an den Fliesen aufgestützten Händen.
Das Wasser war heiß, wärmte wie von innen heraus, dampfte das Bad mit Nebel zu.
    Ich werde Frühstück bestellen, dachte sie, Eier mit Speck
und Kaffee und Croissants und Orangenmarmelade, ja, Orangenmarmelade, in einer
Luxusherberge wie dieser werden sie die ja wohl haben.
    Dann, dachte sie, werde ich es wieder bei Ben versuchen
und ich werde Max anrufen und Port.
    Sie stieg aus der Dusche, zog den Frotteemantel über, der
zusammengefaltet und duftend im Regal neben der Dusche gelegen hatte, und
wartete, bis der Spiegel wieder klar war und sie ihr Gesicht sehen konnte.
Immer noch entdeckte sie manchmal das Gesicht der Jugendlichen darin, die sie
vor Unzeiten gewesen war, oder das der Zwanzigjährigen oder das der Frau, die
eines Morgens aufgewacht war und festgestellt hatte, dass ihr Leben langsam
zerlief, unaufhörlich einem Ende zu oder einem Anfang, je nachdem, und dass
dies wohl das Normalste und zugleich Bitterste der Welt war.
    Sie lächelte sich zu und musste sich eingestehen, dass
ihre Haare dringend einen Friseur nötig hatten. Als sie merkte, dass sie in den
Alltag glitt, in die Normalität, und dass selbst Maries Tod daran nichts ändern
konnte, wurde ihr die Kehle eng und sie dachte an ihren Sohn und dass sie so
wenig für ihn da gewesen war, und sie wünschte ihn sich herbei, sehnsüchtig und
voller Trauer über das, was ihn erwartete.
    Als das Handy klingelte, dachte sie, dass er es wäre, aber
es war Port.
    »Ich steh vor deinem Auto«, sagte er. »Wo bist du denn?«
    Sie staunte. »Vor meinem Auto? Um diese Zeit? Das ist doch
tiefste Nacht für dich!«
    »Ja«, sagte er. »Ist es auch. Ich bin auf dem
Nachhauseweg. Ist ein bisschen spät geworden. Wir hatten
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