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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel
Autoren: John Katzenbach
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Feinschmeckernase und bereite ihm eine Überraschung, wenn er den verdammten Haken zu spüren bekommt. Ich denke, das werde ich tun.«
    Jeffrey schmunzelte; er zog gegen die wachsende Kälte die Schultern hoch. »Klingt vernünftig«, meinte er.
    »Und du?«, wollte Susan wissen.
    »Zurück in den Sklavendienst. Lege die Themen für meine Lehrveranstaltungen fest. Bereite die Seminare fürs Semester vor. Lass mich auf endlose, unglaublich langweilige und letztlich fruchtlose Diskussionen mit den Institutskollegen ein. Stehe für den nächsten Haufen undankbarer, ungebildeter und zumeist verhätschelter Studenten bereit, die an die Uni kommen. Klingt nicht halb so aufregend wie das, was du vorhast.«
    Susan lachte. »Zeigt nur, wie sehr wir uns unterscheiden. Nehme ich zumindest an.«
    Sie blickte in die endlose Weite des blauen Himmels. »Es ist so klar«, seufzte sie. »Aber ich glaube, es gibt bald heftigen Schnee.«
    »Noch heute Abend«, stimmte Jeffrey zu. »Spätestens morgen.«
    Sie kehrten zusammen dem See den Rücken.
    »Jetzt sind wir wohl Waisen«, sagte sie.
     
    Einhundertsieben Studenten hatten sich für seinen Einführungskurs über Verhaltensstörungen eingeschrieben – den »Mordsspaß« ließ sich keiner entgehen. Er hielt seine üblichen Vorträge über vorsätzlichen Mord und krankhafte Täter und baute einen Exkurs über das Wutsyndrom und Massen mörder ein. Er widmete eine ganze Stunde dem Düsseldorfer Mörder Peter Kürten, der im Einundfünfzigsten Bundesstaat seinemVater Pate gestanden hatte. Er fragte sich, wieso sein Vater ausgerechnet diesen Mörder zu solchen Ehren kommen ließ. Kürten war ein Unmensch gewesen, war selbst aus einer inzestuösen Beziehung und Missbrauch hervorgegangen, ein Perverser mit charmanten Manieren, der seinen Opfern nicht die geringsten Gefühle entgegenbrachte – mit Ausnahme des letzten Mädchens, das er unerklärlicherweise aus der Folter entließ, nachdem sie ihn angefleht und ihm das Versprechen gegeben hatte, keiner Menschenseele zu erzählen, was er ihr angetan hatte. Wieso er beschloss, sie gehen zu lassen – nachdem zweifellos ein Dutzend anderer nicht minder verzweifelt um Gnade gebettelt hatten – blieb sein Geheimnis. Natürlich war sie geradewegs zur Polizei gelaufen, die wiederum direkt zu Kürten marschierte und ihn zusammen mit seinen Anhängseln verhaftete. Er hatte nicht den geringsten Fluchtversuch unternommen, noch es der Mühe wert gefunden, sich im anschließenden Gerichtsverfahren zu verteidigen. Der bleibende Eindruck, der sich Kürtens Scharfrichtern einprägte, war das Gefühl, dass ihn erregte, sich vorzustellen, wie sein eigenes Blut aus ihm herausspritzte, nachdem das Fallbeil seinen Hals durchtrennt hätte. Kürten schritt grinsend zum Schafott.
    Sein Vater, so glaubte Jeffrey, hatte das Böse verehrt.
    Die Klausur zur Semesterhalbzeit bestand in einem Essay, der auf Prüfungsbögen innerhalb einer Stunde verfasst werden musste. Die Studenten strömten schweigend in den Hörsaal und machten mürrische Gesichter, als empörte sie die Zumutung, ihre Kenntnisse unter Beweis stellen zu müssen. Sie füllten die Reihen, während er auf die Uhr sah und die Zeit im Auge behielt. Er ließ die allseits bekannten Mappen mit den Prüfungsbögen austeilen und sah zu, wie die Studenten ihre Namen auf die Hüllen schrieben.
    »Also«, sagte er. »Es wird nicht geredet. Falls Sie einen zusätzlichen Bogen brauchen, heben Sie die Hand, und ich bringe Ihnen einen. Noch Fragen?«
    Ein Mädchen mit gegelter Stachelschweinfrisur hob die Hand. »Können wir gehen, falls wir früher fertig sind?«
    »Wenn Sie wollen«, erwiderte Jeffrey. Er nahm an, dass sie entweder einen anderen Termin hatte oder nicht vorbereitet war und nicht den halben Vormittag damit vergeuden wollte, herumzusitzen, ohne die Fragen beantworten zu können. Er schaute sich noch einmal um und sah sonst keine erhobenen Hände. Er ging zur Tafel und fing an, etwas zu schreiben. Er hasste diesen Moment, in dem er mehr als hundert Studenten den Rücken kehren musste, die allesamt wütend waren, eine Klausur schreiben zu müssen. Vollkommen ungeschützt, dachte er. Wenigstens hatte es an diesem Morgen keinen Alarm gegeben.
    In der Ecke des Hörsaals saß ein Mann des Campus-Sicherheitsdienstes auf einem Stahlrohrstuhl. Jeffrey hatte sich angewöhnt, zu jeder Prüfung einen Polizisten anzufordern. Der Officer trug kugelsichere Kleidung und ließ einen langen Schlag stock aus Graphit
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