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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel
Autoren: John Katzenbach
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hatten wir mit Ihnen kein Arrangement wie mit Ihrem Bruder. Doch es erschien uns nur fair.«
    »Schweigegeld«, erwiderte Susan. »Halt-die-Klappe-Knete.«
    »Die man«, konterte Manson gewitzt, »genauso gut ausgeben kann wie jedes andere Geld. Vielleicht sogar besser.«
    »Ich nehme an, die junge Miss Lewis wird ebenfalls für ihre Verletzungen und ihr Schweigen entschädigt?«
    »Vier Jahre Collegestipendium. Ebenso eine Therapie auf Staatskosten. Eine Hochstufung von einem braunen Wohnviertel in ein blaues für ihre Familie, ebenfalls vom Steuerzahler spendiert. Eine neue Stelle, mit Gehaltserhöhung, für den Vater. Dasselbe für die Mutter. Ach so, ja, als kleines Extra haben wir noch ein paar Autos draufgelegt, damit sie etwas stilvoller zu ihren neuen Arbeitsplätzen pendeln können. Genauer gesagt, gehörten diese Fahrzeuge Ihrem verstorbenen Vater und Ihrer bösen, bösen Stiefmama. Wir haben noch ein paar kleine Vergünstigungen dazugepackt. Jedenfalls war es äußerst leicht, sich mit der Familie und der jungen Frau selbst handelseinig zu werden. Ich meine, immerhin gefällt es ihnen hier, und sie hatten wirklich keine Lust, wegzuziehen. Oder in diesem speziellen Fall, die Pferde scheu zu machen.«
    »Sie können trotzdem nicht verhindern, dass geredet wird«, beharrte Susan.
    »Meinen Sie tatsächlich?«, fragte Manson zurück. »Doch, ich denke schon. Die Leute sprechen nicht gerne über derlei Dinge. Sie wollen nicht glauben, dass sie passieren können. Ausgerechnet hier. Deshalb glaube ich eher, dass sie schweigen werden. Sich vielleicht mit ein paar Albträumen herumschlagen, aber schweigen.«
    Manson beugte sich nach unten und öffnete eine Aktentasche. Er zog eine zwei Wochen alte Ausgabe der
New Washington Post
heraus und warf sie Susan hin. Sie las die Schlagzeile: TÖDLICHER UNFALL EINER STAATSBEAMTIN BEI SCHIESSÜBUNG. Neben der Meldung prangte ein Foto von Caril Ann Curtin. Susan starrte es an und drehte sich zu ihrem Bruder um.
    Jeffrey schüttelte den Kopf und warf einen Blick auf denScheck, den Manson ihm übergeben hatte. »Dieses Ende ist teuer erkauft.«
    »Sie haben mein ganzes Mitgefühl. Aber Ihrer Mutter wäre, soviel ich weiß, ohnehin nicht viel Zeit ge…«
    »Stimmt«, schnitt ihm Jeffrey das Wort ab. In seinem Ton schwang Ärger mit. »Aber wie hoch ist der Preis für ein halbes Jahr? Eine Woche? Einen Tag? Ja, eine Minute? Für ein Kind ist jede Sekunde kostbar.«
    Manson lächelte. »Professor, mir scheint, Sie stellen Fragen, die Ihre Mutter bereits mutig beantwortet hat, und alle weiteren Fragen können ihr Verdienst nur schmälern.«
    Jeffrey schloss für einen Moment die Augen. Dann nickte er. »Sie sind ein sehr cleverer Mann, Mr. Manson«, musste er zugeben. »Auf Ihre Weise stehen Sie meinem Vater in nichts nach.«
    Manson lächelte weiterhin. »Ich nehme an, das war als Kompliment gemeint. Sie verlassen uns bald? Heute wäre ein guter Tag dafür.«
    »Er hat diesen Brief nie an die Zeitungen geschickt, oder? Denjenigen, der Sie so in Panik versetzt hat. Und der uns zu seinem Hause geführt hat. Aber Sie hatten noch mal Glück, nicht wahr? Die ganze Wucht dieser negativen Publicity ist Ihnen erspart geblieben.«
    »Nein«, sagte Manson und schüttelte den Kopf. »Er hat diesen Brief nicht abgeschickt. Da haben wir wirklich Glück gehabt.«
    »Fragt sich bloß, wieso nicht«, warf Susan ein.
    »Es gibt mit Sicherheit einen Grund«, überlegte Jeffrey. »Es gab für alles einen Grund. Wir wissen lediglich nicht, was es in diesem Fall war.«
    Er wandte sich an den Politiker, der auf einem unbequemen Sessel saß, vor Freude über die glückliche Wendung desSchicksals jedoch gegen solche Unannehmlichkeiten völlig unempfindlich schien.
    »Sie wissen so gut wie ich, dass er gewonnen hätte. Er lag absolut, hundertprozentig richtig in Bezug auf die Wirkung, die sein Brief gehabt hätte. Sie hätten das nächste halbe Jahr damit zugebracht, jedem Käseblatt der Nation fadenscheinige Entschuldigungen und Lügen aufzutischen. Und die Kongressabstimmung? Ich weiß nicht.«
    »Oh«, machte Manson mit einer dezenten, abwinkenden Handbewegung. »Das war mir klar. Das war mir schon lange klar. Die öffentliche Meinung ist wankelmütig. Sicherheit ist eine fragile Angelegenheit. Man kann nur bis zu einem gewissen Punkt die Wahrheit verschleiern. Irgendwann kommt sie ans Licht oder, schlimmer noch, es entsteht eine Art Mythos, ein Gerücht oder etwas, das man eine urbane Legende nennt.
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