Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Phantom von Manhattan - Roman

Titel: Das Phantom von Manhattan - Roman
Autoren: Frederick Forsyth Wulf Bergner
Vom Netzwerk:
hinweg die besten Stimmen Europas gehört hatte, erteilte er der jungen Frau Gesangsunterricht, bis sie eines Abends, als sie für die Primadonna einsprang, ganz Paris mit ihrem makellos klaren und reinen Gesang verzauberte. Auch das ist durchaus möglich, denn plötzlicher Ruhm durch die Förderung eines bis dahin unbekannten Talents ist der Stoff, aus dem im Showgeschäft Legenden entstehen.
    - Daß die Ereignisse eine tragische Wendung nahmen, weil das Phantom hoffte, Christine werde seine Liebe erwidern. Aber der gutaussehende Vicomte Raoul de Chagny machte ihr den Hof, und sie verliebte sich in ihn. Das durch Wut und Eifersucht zum äußersten gereizte Phantom entführte die junge Sopranistin während einer Vorstellung von der Bühne und verschleppte sie in seine Zuflucht auf der siebten und untersten Ebene der Katakomben am Ufer jenes unterirdischen Sees.
    Und dort geschah etwas zwischen ihnen, aber wir wissen nicht, was. Dann erschien der junge Vicomte, der seine Angst vor der Dunkelheit und den Höhlen überwunden hatte, um sie zu retten. Vor die Wahl gestellt, entschied Christine sich für Raoul. Das Phantom hätte nun beide umbringen können, aber als der rachsüchtige Mob mit hundert brennenden Fackeln von oben ins Dunkel herabstieg, verschonte es das Liebespaar und tauchte in den letzten noch verbliebenen Schatten unter.
    Aber zuvor gab Christine ihm noch den schlichten
Goldring zurück, den es ihr als Zeichen seiner Liebe geschenkt hatte. Und es hinterließ seinen Verfolgern ein spöttisches Andenken: eine Spieluhr in Form eines Affen, die eine Melodie mit dem Titel »Masquerade« spielte.
    Dies ist die Handlung des von Lloyd Webber verfaßten Musicals - die einzig logische. Das Phantom, erneut enttäuscht und abgewiesen, verschwand spurlos und tauchte nie wieder auf.
    Oder etwa doch?

1
    DIE BEICHTE DER ANTOINETTE GIRY
    Hospiz der barmherzigen Schwestern
des Ordens St-Vincent-de-Paul,
Paris, September 1906
     
     
     
     
     
    D er Deckenverputz hoch über meinem Kopf hat einen Riß, in dessen Nähe eine Spinne ihr Netz webt. Eine seltsame Vorstellung, daß diese Spinne mich überleben, daß sie noch hier sein wird, wenn ich in ein paar Stunden nicht mehr bin. Alles Gute, kleine Spinne, die ein Netz webt, um eine Fliege zu fangen, um damit ihre Jungen zu füttern.
    Wie ist’s so weit gekommen? Daß ich, Antoinette Giry, im Alter von achtundfünfzig Jahren in einem Hospiz, das die guten Schwestern für die Einwohnerschaft von Paris führen, liege und darauf warte, vor meinen Schöpfer zu treten? Ich glaube nicht, daß ich ein sehr guter Mensch gewesen bin, nicht gut wie diese Schwestern, die - durch ihr Gelübde zu Armut, Keuschheit, Demut und Gehorsam verpflichtet - endlos Schmutzarbeit leisten. Das hätte ich nie gekonnt. Sie haben ihren Glauben, wissen Sie. Zu diesem Glauben bin ich nie imstande gewesen. Wird es
Zeit, ihn mir jetzt anzueignen? Vermutlich. Denn ich werde sterben, bevor die Nacht das schmale hohe Fenster dort drüben am Rand meines Blickfelds füllt.
    Ich liege hier, vermute ich, weil mir einfach das Geld ausgegangen ist. Nun, beinahe. Unter meinem Kopfkissen liegt ein kleiner Beutel, von dem niemand weiß. Aber der ist für einen besonderen Zweck bestimmt. Vor vierzig Jahren war ich eine Ballerina, damals so schlank und jung und schön. Das erzählten sie mir, die jungen Männer, die am Bühneneingang auf mich warteten. Und schön waren auch sie, diese sauberen, wohlduftenden, harten jungen Körper, die soviel Vergnügen schenken und nehmen konnten.
    Und der Schönste von allen war Lucien. Die ganze Tanztruppe nannte ihn Lucien le Bel, denn er hatte ein Gesicht, bei dessen Anblick das Herz eines Mädchens wie eine große Baßtrommel hämmern konnte. An einem sonnigen Sonntag fuhr er mit mir in den Bois de Boulogne hinaus und machte mir einen Heiratsantrag - auf einem Knie, wie es sich gehört -, und ich nahm ihn an. Ein Jahr später fiel er bei Sedan im Feuer preußischer Kanonen. Danach wollte ich lange nichts mehr vom Heiraten wissen - fast fünf Jahre lang nicht, während ich im Ballett tanzte.
    Ich war achtundzwanzig, als sie zu Ende ging, meine Laufbahn als Tänzerin. Zum einen hatte ich Jules kennengelernt, und wir heirateten, und ich wurde mit der kleinen Meg schwanger. Oder genauer gesagt, verlor ich meine Geschmeidigkeit. Älteste Ballerina des Corps, die tagtäglich darum kämpfte, schlank und biegsam zu bleiben. Aber der Direktor
war sehr gut zu mir, ein freundlicher
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher