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Das Phantom von Manhattan - Roman

Titel: Das Phantom von Manhattan - Roman
Autoren: Frederick Forsyth Wulf Bergner
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Holmes. Trotzdem verdiente er gut, genoß sein Schriftstellerleben, gab seine Vorschüsse so schnell aus, wie die Verleger sie zahlten, und produzierte in den zwanzig Jahren seiner schriftstellerischen Tätigkeit dreiundsechzig Bücher. Er starb 1927 mit neunundfünfzig Jahren - nur zwei Jahre nachdem Carl Laemmles Version von Das Phantom der Oper mit Lon Chaney seine Uraufführung erlebt hatte und nun begann, sich zu einem Filmklassiker zu entwickeln.
    Liest man heute das Original, steht man ehrlich gesagt vor einem Rätsel. Die grundlegende Idee ist klar, und sie ist brillant, aber wie der arme Gaston sie erzählt, ist eine Katastrophe. Er beginnt mit einer Einleitung, die er mit seinem eigenen Namen unterzeichnet und in der er behauptet, jedes Wort und jede Zeile seien wahr. Das ist nun eine höchst gefährliche Sache. Behauptet man unmißverständlich, eine erfundene Geschichte sei absolut wahr und somit eine historische Tatsache, liefert man sich dem Schicksal und dem skeptischen Leser aus, denn von diesem Augenblick an muß jede einzelne aufgestellte Behauptung, die sich nachprüfen läßt, absolut wahr sein. Gegen diese Regel verstößt Leroux auf fast jeder Seite.

    Ein Schriftsteller kann seine Story »kalt« beginnen, indem er scheinbar eine wahre Geschichte erzählt, ohne das jedoch zu sagen, so daß der Leser raten muß, ob das, was er liest, wirklich geschehen ist oder nicht. So entsteht jene Mischung aus Dichtung und Wahrheit, die heutzutage als »Faction« bezeichnet wird. Bei dieser Methode werden in den Roman wahre Episoden eingebaut, an die der Leser sich erinnert oder die er leicht nachprüfen kann. Das steigert seine Verwirrung, aber der Verfasser macht sich keiner wirklichen Lüge schuldig. Dabei ist jedoch eine goldene Regel zu beachten: Alle Behauptungen müssen entweder vollständig wahr oder vollständig beweisbar sein. Ein Autor könnte zum Beispiel schreiben:
    »Im Morgengrauen des 1. September 1939 fielen fünfzig Divisionen von Hitlers Wehrmacht in Polen ein. Zur selben Zeit traf ein unscheinbarer Mann mit perfekt gefälschten Papieren aus der Schweiz kommend auf einem der großen Berliner Bahnhöfe ein und tauchte in der erwachenden Stadt unter.«
    Die erste Aussage ist eine historische Tatsache, und die zweite läßt sich nachträglich weder beweisen noch widerlegen. Mit etwas Glück hält der Leser beide für wahr und liest weiter. Leroux beginnt jedoch damit, daß er uns erzählt, was nun folge, sei nichts als die Wahrheit, und untermauert das mit Behauptungen über Augenzeugenberichte und die Einsichtnahme in Unterlagen und (erst von ihm) neu entdeckte, bisher unbekannte Tagebücher.
    Aber dann schweift seine Erzählung in alle möglichen
Richtungen ab, gerät in Sackgassen, findet nur schwer wieder heraus und ist mit ungelösten Rätseln, unbewiesenen Behauptungen und offenkundig falschen Tatsachen gespickt, bis man das Bedürfnis hat, es Andrew Lloyd Webber gleichzutun - nämlich einen dicken blauen Bleistift zu nehmen und aus der Handlung wieder das zu machen, was sie eigentlich ist: eine erstaunliche, aber glaubhafte Geschichte.
    Nach solcher Kritik an Monsieur Leroux sollte man den ausgesprochenen Tadel mit einigen Beispielen belegen. Schon recht früh in seiner Erzählung nennt er das Phantom Erik, ohne jemals zu erklären, woher er diesen Namen kennt. Das Phantom war nicht eben redselig und auch nicht daran gewöhnt, sich Menschen vorzustellen, denen es begegnete. Tatsächlich hatte Leroux jedoch recht, und wir können nur vermuten, daß er diesen von Mme. Giry erfuhr, von der wir später mehr hören werden.
    Noch verwirrender wird alles dadurch, daß Leroux seine ganze Geschichte erzählt, ohne jemals zu sagen, wann sie passiert ist. Für einen investigativen Reporter, für den er sich ausgibt, ist das eine seltsame Auslassung. Der einzige Hinweis auf die Zeit der Handlung ist ein Satz in der Einleitung. Dort schreibt er: »Die Ereignisse liegen nicht länger als dreißig Jahre zurück.«
    Das hat manche Kritiker dazu verleitet, von 1911, dem Erscheinungsjahr des Buches, dreißig Jahre abzuziehen und so auf das Jahr 1881 zu kommen. Aber »nicht länger« kann auch einen weit kürzeren Zeitraum bezeichnen, und mehrere kleine Hinweise lassen
den Schluß zu, daß seine Geschichte weit später als 1881 und eher um 1893 herum spielt. Der wichtigste dieser Hinweise ist der totale Lichtausfall auf der Bühne und im Zuschauerraum, der nur wenige Sekunden lang dauerte.
    Wie Leroux
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