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Das Phantom im Opernhaus

Das Phantom im Opernhaus

Titel: Das Phantom im Opernhaus
Autoren: Jan Beinßen
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einen guten Salat zuzubereiten: Einen Verschwender, der das Öl zugibt. Einen Geizhals, der für den Essig verantwortlich ist. Einen Weisen, der das Salz portioniert. Und einen Verrückten, der alles wild zusammenmischt.« Jan-Patrick grinste selbstzufrieden, als er seinen Gästen die Teller mit einer gewagten Mischung aus Wald- und Wiesenkräutern, Salatblättern und schwer definierbaren, aber sorgfältig dekorierten Blüten vorsetzte. »In diesem Fall habe ich besonderen Wert auf den Geizhals gelegt«, erklärte der Küchenchef feierlich. Er bezog seinen Essig von einem Hof im Maindreieck, der schon über mehrere Generationen in Familienbesitz war. Die eigentliche Schatzkammer befand sich in einem uralten Natursteingebäude mit einem großen Arsenal patinabehafteter Essigfässer. Die traditionelle Oberflächengärung bedeutete aufwändige Pflege. Je nach Sorte dauerte es zwischen zwei und zehn Jahre, bis die verschiedenen Essige fertig waren, erläuterte er seinen Gästen. »Es gibt Himbeeressig, Zitronen-Apfelessig, Raritäten wie Rosenblütenessig und vieles mehr. Ich habe mich heute für den Holunderblüten-Orangenessig entschieden.«
    Paul würdigte die appetitsteigernde Ansprache seines Nachbarn und Freundes mit einem anerkennenden Lächeln, spießte mit der Gabel ein Raukeblatt auf und erkundigte sich: »Wir haben ziemlich großen Hunger. Wann brätst du denn den Kalbsrücken?«
    Diese Frage war viel zu direkt und unangebracht in Jan-Patricks Gourmettempel, in dem nicht nach der Uhr, sondern für den Geschmack geköchelt und gebrutzelt wurde. Jedenfalls fiel die Antwort des Küchenchefs recht brüsk aus: »Der Hirschkalbsrücken wird nicht gebraten. Das machen nur Banausen! Zwölf Minuten bei 70 Grad in einem Mäntelchen aus Folie pochiert und dann kurz in aufgeschäumter Butter mit Thymian, Rosmarin und Wacholder gewendet, damit er leichte Röstaromen bekommt.« Jan-Patrick rieb sich die Rübennase und wartete auf eine Reaktion.
    »Klingt besser als gut«, sagte Katinka beschwichtigend und rutschte unruhig auf ihrem schmalen Stuhl herum. Sie saßen an dem kleinen Tisch direkt neben dem Küchenzugang des Goldenen Ritters, vor ihnen der erste Entwurf einer Gästeliste und ein Ordner voller Rezepte. »Aber ich möchte auf jeden Fall etwas von deiner Wald- und Wiesenküche dabei haben, von der in letzter Zeit alle Welt schwärmt. Der Salat ist ja ganz lecker, aber geht es auch etwas ausgefallener?«
    Der Küchenmeister sah sie geschmeichelt an. »Sehr gern. Zur Vorspeise zum Beispiel Heusuppe mit einem heimischen Fisch in Knoblauch-Walnuss-Kruste. Als Salatbeilage rohe Distelblätter an Weißwein-Balsamdressing. Außerdem können wir die Gemüseplatte um Sauerampfer und Schwarzwurzel ergänzen und mit Eisenkraut, Minze und Kardamom pointieren.«
    Paul beugte sich vor. »Aber liebe Leute, es geht hier nicht um irgendein Essen für verwöhnte Gourmets, sondern um unsere Hochzeit. Da möchte ich keine Experimente, sondern etwas, das ich guten Gewissens auch meinen Eltern vorsetzen kann!« Er zog den abgegriffenen Aktenordner zu sich heran und blätterte in der zerlesenen Rezeptsammlung herum. »Zicklein mit Mandel und Zitrone«, las er. »Meeräsche mit Linsencreme, gebratenes Kaninchenfilet auf Früchte-Confit. Oder noch besser: Schweinebauch auf Apfel und Rettich. Das klingt etwas bodenständiger.«
    Jan-Patrick und Katinka tauschten einen vielsagenden Blick. Daraufhin zog der Koch Paul die Rezepte unter den Händen weg und entschied: »Überlass das deiner Zukünftigen und mir. Es wird niemand verhungern auf eurer Feier.«
    Marien, die ihr Baby in einem Tragetuch vor den Bauch gebunden hatte, servierte ihnen einen leichten Weißwein. Ihr Erscheinen gab den Anlass für einen Themenwechsel: »Da ihr beide schon hier seid«, meinte Jan-Patrick, »könntet ihr mich mal über diese Opernmorde aufklären. Blohfelds Zeitungsberichte haben mich mehr verwirrt als informiert. Wer war denn nun die wahre Schuldige?«
    Katinka stöhnte kaum vernehmbar. Sie hatte offensichtlich wenig Lust, in ihrer Freizeit über ein Verfahren zu sprechen, das ihr in nächster Zeit noch viel Arbeit bereiten würde. »Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten«, sagte sie. »Sicher ist inzwischen, dass Britta die beiden Tötungsdelikte ausgeführt hat. Das bestätigten die Übereinstimmungen des Fingernagellacks, aber auch zahlreiche weitere Spuren. Hinzu kommt der versuchte Mord am Abend des Opernballs, für den es ja ausreichend
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