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Das Phantom im Opernhaus

Das Phantom im Opernhaus

Titel: Das Phantom im Opernhaus
Autoren: Jan Beinßen
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alle drei Ränge ab, das gesamte Parkett, konnte sogar ein Stück weit ins Foyer blicken. Doch Britta war nirgends zu entdecken. »Mist!«
    »Wen oder was hast du denn verloren?«, fragte Hans, ohne sich nach Paul umzusehen.
    »Verloren?«, griff Paul die Frage auf und erklärte ermattet: »Wir wissen nicht, wo Britta steckt.«
    »Dann frag doch einen, der sich auskennt.« Hans zeigte an den Rand der Hauptbühne. »Da steht die Kleine. Tritt wohl gleich auf.«
    Paul und Hannah drückten ihre Nasen an die Scheiben. Tatsächlich! Britta hielt sich im Halbschatten hinter dem Vorhang auf und machte Anstalten, ins Rampenlicht vorzutreten. Paul verspürte Erleichterung, doch gleich meldeten sich neue Sorgen: Sollte ihr Auftritt nicht erst später stattfinden?
    Hannah ging wohl das Gleiche durch den Kopf, denn sie rief aufgeregt: »Das ist falsch!«
    »Was ist falsch?«, fragte Hans und nahm sich irritiert seinen Stellwartenzettel vor.
    »Dass Britta in dieser Szene auftritt.« Hannah klang verwirrt. »Das ist falsch«, wiederholte sie. »Ich kenne die Oper in- und auswendig. Sie hat in dieser Szene nichts verloren!«
    »Britta platzt in die falsche Szene?«, fragte Paul entgeistert und suchte nach einer Erklärung. »Vielleicht ist das ja so gewollt: ein Potpourri aus mehreren Opern.«
    »Nein«, beharrte Hannah. »Und schon gar nicht darf sie in dieser Arie mit einem Messer auftreten. Carmen wird zwar erstochen, aber von einem Mann.«
    »Britta hat ein Messer?« Paul sah entsetzt nach unten und erkannte die Waffe in ihrer Hand! Er erschrak. Gleich darauf erfasste ihn ein Adrenalinstoß. Paul stieß sich von dem Steuerpult ab, ließ Hans und Hannah stehen und rannte aus der Stellwarte über die bedrohlich schwankende Arbeitsgalerie.
    Währenddessen dröhnte eine Frage in seinem Kopf und gierte nach einer Antwort: Warum? Warum gerade Britta? Paul konnte sich kein Bild ihrer Motivation machen. Ihre Beweggründe waren ihm vollkommen unklar. Niemals hätte er dieses zarte, freundliche Wesen verdächtigt. Doch jetzt hielt sie ein Messer in der Hand und kam Irena näher. Immer näher!
    Es war nicht die Zeit, sich Gedanken zu machen über das Warum und Weshalb. Er musste handeln, um Schlimmeres zu vermeiden! Als er die Leiter zum Bühnenboden hinabkletterte, nahm er jeweils zwei Sprossen gleichzeitig. Die letzten beiden Meter ließ er sich mit den Händen an den Haltestangen heruntergleiten. Ohne Rücksicht auf die laufende Vorstellung startete er zu einem Sprint über die Bühne. Er strauchelte, als er über ein Mikrofonkabel stolperte. Er merkte, wie unruhig das Publikum wurde, richtete sich eilends wieder auf, rannte weiter und lief geradewegs auf Irena zu, die noch immer sang, intonierte und gestikulierte und nicht mitbekam, wie die Stimmung kippte.
    Britta stand jetzt dicht hinter ihr. Holte mit der rechten Hand aus, in der sie das Messer hielt. Es war eines mit langer, chromblitzender Schneide – wie das beim legendären Hitchcock-Mord unter der Dusche.
    Paul schnappte nach Luft, dachte, er käme zu spät. Er sah in Brittas ausdrucksloses Gesicht. Sah, wie sie die Schneide vorschnellen ließ. Er rammte die ahnungslose Irena direkt in die Flanke. Stieß sie um, warf sie zu Boden, landete mit seinem vollen Körpergewicht auf ihr. Sie spie die Luft aus ihren Lungen. Stöhnte. Gleich darauf stieß sich Paul von ihr ab und wandte sich Britta zu.
    Sie war mitten in der Bewegung erstarrt. Die junge Sängerin stand vor ihm wie eine Gipsfigur, schwankte leicht, als wäre sie in Trance.
    Das Publikum raunte. Eine Frau stieß einen spitzen Schrei aus. Einige Personen lösten sich aus der schockierten Masse. Endlich war auch die Polizei auf der Bühne. Grob nahm man Britta das Messer ab. Ihre Arme wurden hinter ihren Rücken gebogen.
    Nach Antworten suchend schaute Paul sie an: Britta sah mitgenommen aus. Ihre Augen, die entwaffnend ehrlich und wehrlos blickten, waren rot gerändert. Widerstandslos ließ sie sich abführen.
    Das Spiel war aus.
     
    Paul blieb zurück. Er fühlte sich benommen, niedergeschlagen und zugleich ungemein erleichtert. Das letzte bisschen Adrenalin wich aus seinem Körper, gleichzeitig knickten seine Knie ein. Kraftlos sackte er auf den Boden. Er registrierte, wie ein Sanitäter mit sorgenvoller Miene auf ihn zukam.
    Und dann erschien plötzlich auch Victor Blohfeld auf der Bühne. Er trug keinen Smoking – wie war er so bloß hereingekommen?

33
    »Ein altes Sprichwort sagt, man braucht vier Menschen, um
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