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Das Phantom im Opernhaus

Das Phantom im Opernhaus

Titel: Das Phantom im Opernhaus
Autoren: Jan Beinßen
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Zeugen gibt. Aber soviel wir aus den bisherigen Verhören und einem psychiatrischen Gutachten wissen, hat Britta nicht aus freiem Willen gehandelt, sondern wurde suggestiv beeinflusst.«
    »Genau das kann ich nicht nachvollziehen«, meinte Jan-Patrick und verschränkte die Arme. »Entweder ist man ein Mörder oder man ist eben keiner. Oder?«
    Katinka lächelte nachsichtig. »Britta befand sich in psychologischer Behandlung«, erklärte sie weiter. »Sie stand am Anfang einer Therapie, weil sie mit den seelischen Folgen eines sexuellen Übergriffs nicht fertig werden konnte.«
    »Oh, das arme Mädchen«, sagte Marien, die am Tisch stehengeblieben war und aufmerksam zuhörte.
    Katinka fuhr sachlich fort: »Britta war von Norbert Baumann missbraucht worden. Sie verzichtete aber auf eine Anzeige, nachdem in ihrem beruflichen Umfeld ein enormer Druck gegen sie aufgebaut worden war. Unter anderem von Jürgen Klinger, der ihr mit dem Rauswurf drohte, sollte sie zur Polizei gehen. Da Britta aber Hilfe und Beistand brauchte, wandte sie sich in ihrer Not an Evelyn Glossner, die im Haus ja bereits einen guten Namen als Psychologin und mütterliche Beraterin besaß.«
    »Was Britta nicht ahnen konnte, war, dass Evelyn Glossner Jahre zuvor das gleiche Schicksal erlitten hatte«, ergänzte Paul. »Als Britta der Glossner ihr Herz ausschüttete, muss das für die Psychologin wie ein Déja-vu-Erlebnis gewesen sein. Die Glossner muss in Britta eine Schicksalsgenossin gesehen haben. Sie beschloss, mit Brittas Hilfe dem bösen Spiel von Baumann und Klinger, das durch Irenas Schweigen gedeckt wurde, ein für allemal ein Ende zu setzen.«
    »Die beiden Frauen heckten den Racheplan also gemeinsam aus?«, fragte Jan-Patrick.
    Katinka verneinte. »Wie es aussieht, war Evelyn Glossner die treibende Kraft. Sie plante die Rache minutiös und bis ins Detail. Ausführen musste die Taten jedoch Britta. Die Glossner hat sie mit bewusstseinstrübenden Medikamenten und Hypnose dazu gebracht, die Morde zu begehen.«
    »Entschuldigt, wenn ich widerspreche«, meldete sich Marien noch einmal zu Wort. »Ich habe einmal gelesen, dass man einen Menschen selbst unter Hypnose nicht dazu bringen kann, etwas zu tun, was partout gegen seinen Willen ist.«
    Katinka nickte. »Richtig, Marien. Wir haben über diesen Punkt selbst lange nachgedacht, denn die Glossner schweigt beharrlich über ihre Tricks und Kniffe. Aber unser Polizeipsychologe ist trotzdem drauf gekommen: Des Rätsels Lösung liegt in den Tatorten und den Tatabläufen.« Sie nippte an ihrem Wein. »Ihr erinnert euch: Die Leichen wurden jeweils in einem Bühnenbild aufgefunden. Und die Taten selbst waren in ihrer Ausführung den entsprechenden Opernmorden nachempfunden. Die ebenso geniale wie perfide Idee der Glossner bestand darin, Britta glauben zu lassen, dass sie in einem Bühnenstück auftrat. Sie sollte das Gefühl haben, dass sie nicht wirklich mordete, sondern alles nur Theater war. Mit diesem Psychotrick wurden Brittas innere Hemmschwellen abgebaut, und sie mutierte zum willfährigen Werkzeug ihrer Ärztin. Natürlich hat ihre eigene unterdrückte Wut auf ihre früheren Peiniger mit dazu beigetragen, die Taten möglich zu machen. Schuldig im Sinne der Anklage sind meiner Meinung nach beide Frauen.«
    »Wahnsinn!« Jan-Patrick war beeindruckt und schockiert zugleich.
    Über das ungläubige Staunen seines Freundes wunderte sich Paul nicht. Denn er war vom völlig unerwarteten Ausgang dieses Falls ja selbst kalt erwischt worden. Bis zuletzt lag er mit seinen Vermutungen und Verdächtigungen völlig daneben. Motive und mögliche Täter gab es zur Genüge, aber Evelyn Glossner und vor allem Britta waren zu keinem Zeitpunkt der Ermittlungen darunter gewesen. Niemals hätte Paul ausgerechnet in Britta, diesem so harmlosen, netten Mädchen, die Seele einer Mörderin vermutet.
    Dabei hätte es durchaus Gelegenheiten gegeben, dem Gespann auf die Schliche zu kommen oder zumindest das wahre Motiv zu erkennen: Paul und auch Katinka hatten zu lange die Auswirkungen von Baumanns Sexbesessenheit unbeachtet gelassen. Einzig und allein auf Irena bezogen sie die Folgen seiner Seitensprünge, fragten aber nie nach Baumanns Gespielinnen und deren Schicksal. Ein schweres Versäumnis, wie Paul sich im Nachhinein eingestehen musste.
    Selbstkritisch räumte er ein, dass er sich viel zu sehr mit vordergründigen Konflikten und Ereignissen beschäftigt und keinen Sinn für die vermeintlichen Nebenschauplätze
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