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Das Phantom im Opernhaus

Das Phantom im Opernhaus

Titel: Das Phantom im Opernhaus
Autoren: Jan Beinßen
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provisorische Umkleide auf. Gleichzeitig wurde Hannah ausgestattet.
    Sein Smoking saß wie angegossen! Als er die Umkleide verließ, sah er Hannah an einem Schminktisch sitzen. Eine junge Frau nebelte ihren Kopf mit Haarspray ein, eine andere brachte Puder auf. Hannah trug ein hellblaues, seidenglänzendes Kleid, das klassisch elegant wirkte und gleichzeitig ihre Figur betonte. Es zeigte ein Dekolletee, das Paul für den Augenblick die Sprache verschlug. »Alle Achtung«, murmelte er und bemühte sich, lieber nicht zu genau hinzusehen.
    Er stellte fest, dass sie längst nicht die Einzigen waren, die von diesem Notfallservice Gebrauch machten: Eine Dame im wallenden Abendkleid suchte Ersatz für ihren abgebrochenen Schuhabsatz, einem beleibten Herrn war eine Naht aufgeplatzt und ein junger Schnösel hatte versucht, ohne die obligatorische Fliege ins Allerheiligste vorzudringen. Sogar ein Techniker bot seine Dienste an und konnte Paul mit einem passenden Ersatzakku für sein eigenes, von der Glossner lahmgelegtes Handy versorgen.
    »Jetzt aber schnell!«, drängte Paul und zog Hannah aus der Haarspraywolke. Sie hetzten ins Foyer, schauten sich hektisch um und waren erschlagen von der unüberschaubaren Menschenmenge. Das allgemeine Gemurmel, das Klirren der Sektkelche und heiteres Lachen addierten sich zu einem beachtlichen Geräuschpegel. Es hatte keinen Zweck, nach Katinka zu rufen, denn sie würde sie nicht hören.
    Daher beschlossen sie, sich aufzuteilen und jeder in einem anderen Teil des weitläufigen Foyers zu suchen. Paul durchforstete den ihm zugedachten Abschnitt und nahm dabei wenig Rücksicht auf die umstehenden Personen. Als er einen Herrn anstieß, der daraufhin seinen Sekt verschüttete, entschuldigte Paul sich flüchtig und eilte weiter. Erst drei Meter weiter wurde ihm bewusst, wem er gerade diesen saftigen Rempler verpasst hatte: Der Oberbürgermeister schaute ihm kopfschüttelnd nach, während seine Gattin mit einem Taschentuch an seinem Revers herumtupfte.
    Paul hatte bald jeden Quadratmeter der Wandelhalle abgegrast. Ohne Resultat! Frustriert und ratlos lehnte er sich an eine Säule und dachte nach: Wo konnte Katinka bloß stecken? Dann kam ihm der Gedanke, dass sie sich wahrscheinlich das gesellschaftliche Vorgeplänkel sparte und die Polizei bei ihrer Arbeit unterstützte. Ja, dachte sich Paul, bestimmt hielt sie sich schon im großen Zuschauersaal auf und instruierte die Beamten!
    Er ignorierte Platzanweiser und Logenschließer, die sich ihm in den Weg stellen wollten, und stieß eine Flügeltür zum Parkett auf. Der Zuschauerraum lag festlich erleuchtet vor ihm. Seine majestätische Weite, die erhabene Würde der Ränge und Logen nahmen Paul für einen Moment gefangen. Doch er war nicht zum Staunen und Schwelgen gekommen, sondern zum Handeln! Er riss sich los von den starken Eindrücken des Saals mit seinem Stuck, Samt und Kristall und spähte nach Katinka.
    Noch ehe er sie entdeckt hatte, rief sie nach ihm: »Paul?« Sie lehnte – in schickem Abendkleid – an der Bande zur Orchesterloge, neben ihr zwei Polizistinnen. Als sie sich vergewissert hatte, keiner Sinnestäuschung erlegen zu sein, schlug sie den Weg unter dem ersten Rang ein und kam Paul eilig entgegen.
    »Katinka!«, grüßte er sie atemlos. »Du musst deine Taktik umschmeißen! Alles ändern!«
    »Was redest du da?«, fragte sie verständnislos. »Müsstest du nicht bei deinen Leuten sein und dich aufs Fotografieren vorbereiten?«
    »Hör mir gut zu, Kati!« Paul fasste sie an den Schultern. »Es ist enorm wichtig! Du bist hinter der Falschen her. Irena ist nicht das Phantom. In Wahrheit steckt Evelyn Glossner hinter den Morden!«
    »Die Glossner?« Katinka sah ihn zunächst bestürzt, dann fast belustigt an. »Schon wieder eine neue Verdächtige? Mein lieber Zukünftiger: Mach dich bitte nicht lächerlich!«
    Paul aber ließ Katinka nicht eher wieder zu Wort kommen, bis er all seine Erlebnisse der letzten Stunden vorgebracht hatte. Seine Zuhörerin wurde dabei zusehends bleicher. Schließlich sagte sie mit belegter Stimme: »Aber die Glossner … – wie soll sie das denn fertiggebracht haben? Sie hat ihre Praxis, Angestellte und Patienten. Sie kann sich doch nicht einfach aus dem Arztzimmer rausgeschlichen und heimlich Morde begangen haben.«
    Diese Feststellung bremste Paul in seinem Elan. »Ich kann auch nicht erklären, wie sie es bewerkstelligt hat«, gab er zu. »Aber ich weiß, was ich am eigenen Leib erfahren habe. Das
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