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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen
Autoren: Barbara Wood
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samt dem keuchenden Poki, den sie im Arm hielt, mit heiler Haut dem Inferno entronnen war. Einauge hatte alles getan, damit der königlichen Kräuterkundigen nichts zustieß. Derweil andere benommen auf dem Boden hockten oder um Atem rangen, ließ Martok, die Arme in die Seiten gestemmt, den Blick über die Menge schweifen, die bereit gewesen war, Baláms Armee die Stirn zu bieten.
    Dann ging er auf Ixchel zu, die dabei war, eine Stirnverletzung bei einem von H’meens Begleitern zu untersuchen. »Von welchem Volk seid ihr eigentlich?«, fragte er. »Woher kommt ihr?«
    Nachdem sie festgestellt hatte, dass die Wunde nicht gefährlich war, sagte sie zu Martok: »Wir sind ins Tal von Anahuac gezogen, um die Höhlen von Aztlán ausfindig zu machen.«
    »Aztlán! Aber jeder weiß doch, dass Aztlán hoch im Norden liegt.«
    Ixchel nickte. Balám hatte ja für alle vernehmlich damit geprahlt, dass er sie in diese Falle gelockt hatte. »Außerdem suchen wir einen Mann namens Cheveyo. Wir glauben, dass er sich hier irgendwo aufhält. Ein Schamane. Habt Ihr vielleicht von ihm gehört?«
    Martok kratzte sich die Narben auf der Glatze oben am Kopf. Wie bei allen anderen auch, waren sein Haar und die Schultern dick mit vulkanischer Asche bestäubt. »Gewiss doch. Cheveyo, der heilige Mann mit der unglaublichen Geschichte!«
    Ixchel stockte der Atem. »Ihr habt von ihm gehört?«
    »Ich habe ihn selbst kennengelernt! Und pulque mit ihm getrunken. Er sagte, seine Frau sei eine Mexica, deshalb habe er uns aufgesucht. Wie er erzählte, war er in einer unterirdischen Höhle in der Nähe von Palenque gefangen gehalten worden. Ihm sei die Flucht gelungen, seiner Frau jedoch nicht. Das liege lange zurück, sagte er, und seitdem ziehe er umher und suche Aztlán. Er blieb einige Zeit bei uns und brach dann wieder auf. Eigentlich hatte er vor, länger bei uns zu verweilen, und er wäre auch heute noch hier, wenn er nicht geträumt hätte, er müsse schleunigst fort.« Ixchel wischte sich die Tränen aus den Augen. »Geträumt?«
    »Merkwürdige Sache, das! Er hatte eine Vision, in der eine alte Frau ihm sagte, er müsse diesen Ort verlassen, hier sei er nicht sicher. Er sagte, die Frau in seiner Vision habe alt gewirkt, dabei habe er genau gewusst, dass sie noch keine siebzehn war.«
    Tonina und H’meen tauschten einen Blick. Beide dachten an die gemeinsame peyotl- Vision.
    »Wohin ist er gegangen?«, fragte Ixchel, von neuer Hoffnung erfüllt.
    »Er erwähnte eine heilige Stätte, die er besuchen wollte. Nicht weit von Tlaxcala entfernt. Ich könnte mir vorstellen, dass er noch dort ist.«
    »Ist diese heilige Stätte weit weg?«
    Martok schüttelte den Kopf. »Zwei Tagesmärsche.« »Ich danke Euch«, sagte Ixchel. Wenn sie Cheveyo fand, würden sie gemeinsam Aztlán suchen. Ob das nun Monate oder Jahre dauerte, wäre ganz unwichtig.
    Ohne die furchterregende Rauchwand aus den Augen zu lassen, die sich über das östliche Ende des Tals gesenkt hatte und die Berge unsichtbar machte, summte Tonina ihr weinendes Kind in den Schlaf. Wo blieb Chac?
    Während die Sonne höher stieg, tauchten weitere Menschen aus dem Rauch auf, taumelnd, hustend, sich gegenseitig stützend, Soldaten und Krieger, Frauen und Kinder. Vergeblich suchte Tonina nach dem Gesicht des geliebten Mannes. Der Morgen verstrich, sie war allein inmitten von verstörten, aschebedeckten, stöhnenden Menschen.
    Endlich, nach quälendem Warten, entdeckte sie Chac, der, ein Kind auf dem Arm, eine Gruppe aus der Finsternis herausführte. Tonina stürzte auf ihn zu. Er schloss sie in die Arme. Sie spürte, wie er vor Erschöpfung zitterte. Aber dann richtete er sich auf und nahm die gewaltige Menschenmenge in Augenschein – Baláms Soldaten, Martoks Leute und Ixchels Pilger, vereint durch die Katastrophe. Noch immer stieg Rauch zum Himmel, bebte in Abständen die Erde, aber sie waren außer Reichweite von herabstürzenden Trümmern und giftigen Gasen.
    »Wie soll es jetzt weitergehen?«, fragte Martok. Chac hob den Blick zu dem über ihnen kreisenden Adler. Er hatte sie aus dem Rauch geführt. Würde er sie weiterhin führen?
    Tonina beschäftigte die gleiche Frage. Eingedenk der Prophezeiung von Huitzilopochtli im Buch der tausend Geheimnisse, in der es hieß, ein Adler würde die Mexica in ihre Heimat bringen, formte sie die Hände zum Trichter und rief zum Himmel hinauf: »Ehrenwerter Tapferer Adler, denn der bist du doch! Ich, ich bin Tonina! Wir danken dir, dass du uns aus
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