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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen
Autoren: Barbara Wood
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Mayapán! Aber durch Geburt bin ich Tenoch vom Chapultepec!«, schrie Chac zurück. »Und wer seid Ihr?«
    »Ich bin Martok, Häuptling der Mexica.« Er bedeutete Chac, dass er ihn in dem neutralen Raum treffen wollte. »Beweist mir, wer Ihr seid!«
    Selbst für einen kampferprobten Soldaten war Martok ein ausnehmend hässlicher Mann. Von der Stirn bis zur Mitte seines Schädels zog sich eine Narbe, die von einer brennenden Fackel herrührte, die man ihm entgegengeschleudert hatte. Die Haut von den Augenbrauen bis über die Stirn war deshalb von entstellenden Narben bedeckt. Was er ansonsten an Haar aufwies, war ein ungebändigter, wirrer Wust. Ein Eindruck, der dadurch verstärkt wurde, dass Martok seine widerspenstige grauschwarze Mähne nicht wie andere Soldaten zu Zöpfen flocht, sondern über die Schultern und den Rücken hinunterfallen ließ. Seine Nase war ebenfalls zertrümmert, aber bei welchem Soldaten war das nicht so?
    Als der Häuptling der Mexica näher kam, schob Chac seinen Umhang beiseite und zeigte die Chapultepec-Tätowierung.
    Martok musterte sie eingehend. Als er feststellte, dass sie echt war, sagte er: »Als wir auf dem Heuschreckenhügel lebten und ihn als unser Zuhause ansahen, machten wir diese Tätowierung zu unserem Stammeszeichen. Aber dann wurden wir vertrieben, und jetzt sind wir erneut auf der Suche nach einer Heimat.«
    Sein Blick fiel auf Ixchel. Was war das für ein in Federn gehülltes Bündel, das diese Frau da in den Händen hielt? Er dachte daran, was sie eben gesagt hatte. Von Höhlen, Göttern und Bestimmung war da die Rede gewesen. Wer waren diese Leute?
    Die Erde erbebte. Die Krieger warfen sich fragende Blicke zu, schienen verunsichert zu sein. Und als der Wind sich drehte und Schwaden beißenden Schwefels und Gas über die Ebene trieben, nahm ihre Nervosität weiter zu. Häuptling Martok indes schenkte dem Beben und dem Geruch keine Beachtung. Herausfordernd sah er Chac an. »Wie kommt es, dass Ihr einen Maya-Namen tragt?«, fragte er. »Und weshalb sprecht Ihr unsere Sprache mit Maya-Akzent?«
    »Seit ich Mayapán verlassen habe, wo meine Mutter und mein Vater vor vielen Jahren Aufnahme fanden, bin ich auf der Suche nach meinem Volk.«
    Das Gesicht des Häuptlings hellte sich auf. »Ihr gehört also zu denen, die damals fortgingen! Ich erinnere mich daran! Damals gab es viel Unruhe in diesem Landstrich, eine Hungersnot drohte. Wir zogen in allen Himmelsrichtungen herum, bis einige unserer Leute endgültig ihre Sachen packten und sich mit ihren Familien auf die Suche nach besseren Lebensbedingungen machten. Wie es hieß, haben es viele nicht geschafft.«
    »Meine Eltern und ich schafften es nach Mayapán.« Zum ersten Mal war Chac ihnen dankbar für das, was sie auf sich genommen hatten, um ihrem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen. »Ehrenwerter Martok, warum kämpft Ihr eigentlich an der Seite dieser Maya?«
    »Wir brauchen Land, mein Sohn. So einfach ist das. Denn wo immer wir hinkommen, weist man uns ab und schickt uns weiter.«
    »Was ist mit Aztlán?«
    Martok blinzelte. »Was soll damit sein?«
    »Hat Euer Gott Huitzilopochtli nicht gesagt, Ihr müsst so lange herumziehen, bis Ihr Aztlán findet?«
    »Nicht alle von uns glauben, dass die Heimat, die Huitzilopochtli uns versprochen hat, Aztlán selbst ist. Es kommt darauf an, wie man die alten Legenden und Prophezeiungen auslegt. Mein Volk glaubt, dass Huitzilopochtli nicht die Heimat unserer Ahnen meinte, sondern von einem neuen Land sprach, wie man es am Ufer des Texcoco-Sees findet. Und dass er uns dorthin führen wird, indem er uns ein Zeichen gibt.«
    »Was für ein Zeichen?«
    »Genug geredet!«, brüllte Balám.
    In gleicher Lautstärke gab Martok zurück, dass er nicht vorhabe, gegen einen Verwandten zu kämpfen.
    »Dann kämpfe ich eben allein!«, rief Balám, hob sein Schwert und stürmte mit mörderischem Geschrei auf Chac zu. Seine Tausende von Soldaten hefteten sich ihm mit blutrünstigem Geheul an die Fersen.
    Sie kamen näher. Chacs wenige Hundert hielten ihre Waffen in Bereitschaft. Und dann …
    Der Donner, der sich über dem Tal entlud, war ohrenbetäubend. Die Erde bebte, der Himmel überzog sich mit einer so pechschwarzen Wolke, dass die Morgensonne auf der Stelle verdeckt wurde. Jeder in der Ebene, im Tal und darüber hinaus richtete den Blick auf den majestätischen Popocatépetl. Mit Rauch, Feuer und Donner brach der Vulkan aus und verlieh so seinem Ingrimm, seinem Zorn und seiner Empörung
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