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Das Parsifal-Mosaik

Titel: Das Parsifal-Mosaik
Autoren: Robert Ludlum
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berechtigt schien.
    Es gab kein Zögern, kein Stocken. Sie stand es durch ... schaffte es! Sie hatten es geschafft! Plötzlich spürte er einen hohlen Schmerz in der Brust; er wußte, was es war: Furcht, nackte, quälende Furcht. Und während er sie beobachtete, wanderten seine Gedanken zurück zu einer Stadt, die in Schutt und Asche lag, zu den schrecklichen Geräuschen einer Massenhinrichtung. Lidice. Und da war ein Kind - eines von vielen Kindern -, das über aufwallenden, grauen, rauchenden Schutt huschte, Botschaften überbrachte und die Taschen voller Sprengstoff hatte. Ein einziges Zögern, ein einziges Stocken ... Vergangenheit.
    Sie erreichte das Tor. Ein beflissener Posten gestattete sich ein feistes Grinsen. Sie war betörend. Herrgott, wie er sie liebte!
    Jetzt hatte sie die Straßenböschung erreicht, und ihre Beine und Arme arbeiteten wie wild, gruben sich in den Sand und den Schmutz. Aber es gab kein Entrinnen. Sie mußte sich aufrichten, um weiterzurennen, und konnte sich nicht mehr hinter der Böschung verbergen. Man würde sie sehen, der Lichtstrahl würde sie erfassen, und dann würde schnell das Ende kommen.
    Während er die fliehende Frau mit seinem Blick verfolgte, unterdrückte er seine Gefühle und den Schmerz in seiner Brust. Er mußte so reagieren. Sein Beruf zwang ihn dazu. Er hatte die Wahrheit erfahren: Ihr Erscheinen an diesem Strand an der Costa Brava bestätigte ihre Schuld und ihre Verbrechen. Die von Panik erfüllte Frau dort unten war eine Killerin, eine Agentin der berüchtigten Voennaja Kontra Rozvedka, jener brutalen Abteilung des sowjetischen KGB, der überall den Terrorismus schürte - das war die unwiderrufliche Wahrheit. Er hatte alles gesehen, hatte von Madrid aus mit Washington gesprochen. Das Rendezvous in jener Nacht war von Moskau befohlen worden; dabei sollte die VKR-Außenagentin Jenna Karras einer Untergruppe der Rote Armee Fraktion Deutschlands, die sich kurz RAF nannte, einen Mordplan übermitteln. Das war die Wahrheit.
    Doch diese Wahrheit machte ihn nicht frei. Vielmehr zwang sie ihn zu einer unvermeidlichen Konsequenz. Jene, die Verrat übten und Makler des Todes waren, mußten sterben. Gleichgültig, um wen es sich handelte ... Michael Havelock hatte seine Entscheidung getroffen, und auch die war unwiderruflich. Die letzte Phase des Plans, der die Frau in die tödliche Falle locken sollte, hatte er selbst vorbereitet ... Er hatte mitgeholfen, die Frau zu töten, die ihm eine kurze Zeit mehr Glück gegeben hatte als irgendein anderer Mensch auf der Erde. Doch zuzulassen, daß sie weiterlebte, würde den Tod Hunderter, vielleicht Tausender bedeuten. Unwiderruflich.
    Was Moskau nämlich nicht wußte, war, daß das CIA die VKR-Codes geknackt hatte. Er selbst hatte den letzten Funkspruch an ein Boot abgesetzt, das eine halbe Meile vor der Küste der Costa Brava ankerte. KGB-Bestätigung. Offizierkontakt durch US-Abwehr gefährdet. Pläne falsch. Eliminieren. Die Codes gehörten zu den sichersten, die es gab. Sie würden die Eliminierung garantieren. Jetzt richtete sie sich auf, und ihr schlanker Körper wurde hinter der Böschung sichtbar. Nun mußte es geschehen. Er liebte die Frau, die gleich sterben würde. Auch das war gewiß. Dieses Gefühl ruhte irgendwo tief in ihrem Bewußtsein. Sie waren einander in den Armen gelegen und hatten von einem gemeinsamen Leben gesprochen, von Kindern, die noch nicht geboren waren, die sie sich aber wünschten, vom Frieden und vom tiefen Wohlbehagen, wenn sie spürten, eins zu sein ... Daran hatte er einmal geglaubt, aber es sollte nicht sein. Die Wahrheit.
    Sie lagen im Bett. Ihr Kopf ruhte auf seiner Brust. Ihr weiches blo ndes Haar fiel über ihr Gesicht. Er wischte es zur Seite, hob die Strähnen auf, die ihre Augen verbargen, und lachte. »Du versteckst dich«, sagte er.
    »Es scheint, daß wir uns immer verstecken«, erwiderte sie und lächelte traurig. »Nur dann nicht, wenn wir absichtlich von Leuten gesehen werden wollen. Alles ist Berechnung, Mikhail, alles ist reglementiert. Mir kommt es so vor, als lebten wir in einem beweglichen Gefängnis.« »Das ist noch nicht lange so, und es wird auch nicht für immer sein.« »Wahrscheinlich nicht. Eines Tages werden sie feststellen, daß sie uns nicht länger brauchen und womöglich gar nicht mehr haben wollen. Werden sie uns dann gehen lassen, was meinst du? Oder werden wir verschwinden?«
    » Washington ist nicht Prag, auch nicht Moskau. Wir werden unser bewegliches
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