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Das Parsifal-Mosaik

Titel: Das Parsifal-Mosaik
Autoren: Robert Ludlum
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wieder ... nicht Codes und Akten, sondern all jene Bücher, die er seit der Studienzeit nicht mehr in die Hand genommen hatte. Wenn er irgend etwas für irgend jemanden mit Leben erfüllen sollte, mußte er so vieles, das er vergessen hatte, wieder lernen.
    Aber was ihn an jenem Nachmittag vor zwei Monaten und fünf Tagen am meisten beschäftigte, war der Wunsch nach einem opulenten Abendessen. Nach zwölf Tagen in klinischer Behandlung und einer nicht gerade schmackhaften Diät hatte er förmlich nach einem guten Essen gelechzt. Er wollte gerade zu seinem Hotel zurückkehren, um dort zu duschen und sich umzuziehen, als ein Taxi die Straße entlangfuhr. Die Sonne spiegelte sich in seinen Fensterscheiben, so daß man die Insassen nicht sehen konnte. Das Taxi hatte vor ihm am Randstein angehalten; Michael hatte angenommen, weil er gewinkt hatte; doch statt dessen war ein Fahrgast mit einem Aktenkoffer schnell ausgestiegen, ein gehetzter Mann, der sich vielleicht für eine Verabredung verspätet hatte. Zuerst hatten weder Havelock noch der Fahrgast einander erkannt, Michaels Gedanken suchten ein Restaurant, der eilige Mann war damit beschäftigt, den Fahrpreis zu bezahlen.
    »Havelock?« hatte er dann plötzlich gefragt und sich die Brille zurechtgerückt. »Du bist es doch, nicht wahr, Michael?« »Harry? Harry Lewis?« »Du hast's erfaßt. Wie geht's denn, M. H.?«
    Lewis war einer der wenigen Leute, die er kannte - und er sah Harry selten -, die ihn mit den Anfangsbuchstaben anredeten. Das war eine alte Gewohnheit aus der Schulzeit; er und Lewis waren in Princeton Studienkollegen gewesen. Michael war anschließend in den Regierungsdienst getreten, während Lewis die akademische Laufbahn gewählt hatte. Dr. Harry Lewis war Inhaber des Lehrstuhls für politische Wissenschaften an einer kleinen, aber sehr renommierten Universität in New England und kam gelegentlich nach Washington, wo er einen Beratervertrag mit dem State Department hatte. Sie hatten sich ab und zu getroffen, wenn beide in Washington waren. »Gut geht's mir. Arbeitest wohl immer noch gegen Tageshonorar, Harry?«
    »Längst nicht mehr so oft wie früher. Jemand hat deinen Kollegen beigebracht, wie man Forschungsberichte unserer hochgestochenen Universitäten auswertet.«
    »Du lieber Gott, mich haben die jetzt durch einen Bartträger in Blue jeans ersetzt.«
    Der bebrillte Professor hatte ihn verblüfft angesehen. »Du machst wohl Witze. Du bist ausgeschieden? Ich dachte, du wärst auf Lebenszeit engagiert.«
    »Im Gegenteil, Harry. Mein Leben hat gerade angefangen, vor fünf oder sieben Minuten, als ich meine letzte Unterschrift geleistet habe. Und in ein paar Stunden werde ich zum erstenmal mein Abendessen nicht als Spesen abrechnen können.« »Was wirst du machen, Michael?«
    »Keine Ahnung. Ich hab' noch gar nicht drüber nachgedacht. Das will ich vorerst auch nicht.«
    Der Professor hatte innegehalten, sein Wechselgeld entgegengenommen und schnell gesagt: »Hör zu, ich habe mich schon verspätet. Aber ich bleibe über Nacht in der Stadt. Da ich ein Tageshonorar kriege, lade ich dich zum Essen ein. Wo wohnst du? Vielleicht habe ich eine Idee.« Kein Regierungshonorar irgendwo in der zivilisierten Welt hätte für dieses Abendessen vor zwei Monaten und fünf Tagen ausgereicht, aber Harry Lewis hatte wirklich eine Idee. Sie waren einmal Freunde gewesen; jetzt wurden sie wieder Freunde, und Havelock fiel es leichter, mit jemandem zu reden, der die Arbeit, die er für die Regierung geleistet hatte, wenigstens ungefähr kannte, als mit jemandem, der dazu überhaupt keine Beziehung hatte. Es war immer schwierig, zu erklären, daß etwas nicht zu erklären war; Lewis begriff. Ein Gedanke hatte zum anderen geführt, und am Ende hatte Harry seine Idee.
    »Hast du jemals daran gedacht, zur Uni zurückzukehren?« Michael hatte gelächelt. »Was würdest du jetzt sagen, wenn ich >dauernd< antworten würde?«
    »Ich weiß, ich weiß«, hatte Lewis mit einem Grinsen erwidert. »Leute wie ihr - >Spooks< nennt man euch, glaube ich -bekommen alle möglichen Angebote von den Multis und verdammt hohe Gehälter obendrein, das ist mir bekannt. Aber M. H., du warst einer der Besten. Ein Dutzend Schulen hat deine Dissertation nachgedruckt, selbst eigene Seminare hast du gehalten. Deine akademischen Leistungen in Verbindung mit deinen Jahren im State Department - auch wenn du dazu großteils keine Einzelheiten liefern kannst - könnten dich für eine Universität sehr
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