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Das Paradies liegt in Afrika

Das Paradies liegt in Afrika

Titel: Das Paradies liegt in Afrika
Autoren: Elfie Ligensa
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auf, sie kämmte es sorgfältig, dann steckte sie es geschickt mit drei breiten Schildpattkämmen auf. Während sie ganz mechanisch diese Handgriffe tätigte, gingen ihre Gedanken um drei Jahrzehnte zurück.
    Madeleine, Karls Schwester, war ein wildes junges Mädchen gewesen. Klug, aber eigensinnig. Neugierig auf die große, unbekannte Welt und leidenschaftlich. Und genau diese Neugier und Leidenschaft hatten sie in die Arme von Johannes Lammersburg getrieben, einem mehr als zwanzig Jahre älteren Mann, dessen Vater von Beginn an der größte Feind der Ruhlands gewesen war.
    Als der junge Ben Ruhland im Jahr 1795 ans Kap gekommen war, um sich hier als Winzer eine Existenz aufzubauen, gab es gleich zu Beginn handgreifliche Auseinandersetzungen mit seinen Nachbarn, den Lammersburgs. Die Herren von Gut Summerset beanspruchten die Wasserrechte für sich allein, sie zerstörten die Gräben, die der junge Ben mühevoll errichtet hatte, sie gingen keinem Händel aus dem Weg. Eines Tages griffen sie den deutschstämmigen Winzer sogar massiv an, nur mit Mühe konnte Ben sein Leben retten. Tagelang lag er mit starkem Wundfieber in der armseligen Hütte, die seine erste Behausung war. Gepflegt wurde er von Sina, einer bildhübschen schwarzen Sklavin, der er am Tag seiner Ankunft in Kapstadt begegnet war und die er aus Mitleid von ihrem brutalen Herrn freigekauft hatte. Sinas Sohn Will, damals ein kleiner Junge von fünf Jahren, war nun Kellermeister auf Hopeland . Treu und sehr ergeben arbeitete er für den Sohn des Mannes, der ihm und seiner Mutter einst die Freiheit geschenkt hatte.
    Kaum jemand ahnte, wie sehr auch Sina und Will unter den Lammersburgs gelitten hatten. Sina hatte Ben nie genau erzählt, was sie mit ihren ersten Herren erlebt – und durch sie erlitten hatte. Doch sie hasste Johannes Lammersburg und seinen brutalen Vater mindestens so sehr, wie Ben Ruhland es tat.
    Es gab nur einen Menschen auf Hopeland , der damals mit den streitsüchtigen Nachbarn Kontakt hielt: Sebastian, Ben Ruhlands zweitgeborener Sohn. Leichtfertig war er, fast so gewissenlos wie Johannes Lammersburg, sein älterer Freund, mit dem er nur zu gern die Wirtshäuser und Bordelle von Kapstadt aufsuchte. Tagelang konnten sich die beiden Männer auf diese Weise amüsieren. Auch die Jagdleidenschaft teilten sie – ein Vergnügen, das eines Tages in einem tragischen Unglück endete: Bei der Jagd auf wilde Paviane erschoss Johannes versehentlich seinen Freund. Dieses Geschehen vertiefte den Graben zwischen den beiden Familien noch mehr.
    Johannes mied Gut Hopeland lange Zeit hindurch, geplagt von seinem schlechten Gewissen und der Angst, sich für seine Tat doch noch verantworten zu müssen. Dann aber sah er Madeleine – und verfiel dem jungen, leidenschaftlichen Mädchen mit Haut und Haar. Immer wieder trafen sie sich heimlich, und wenn sich Ben Ruhlands Tochter auch darüber klar war, dass sie ihren Eltern mit ihrem Verhalten das Herz brach, so konnte sie doch gegen ihre Gefühle nicht an. Bar jeder Moral gab sie sich Johannes hin und ging eines Tages mit ihm fort in die Fremde.
    Johannes Lammersburg … wie sehr ihn die Ruhlands hassten und verachteten! Doch Madeleine liebte ihn – und folgte ihm erst nach Kairo, dann nach Cornwall und Brighton. Wo sie im Augenblick lebte, wusste niemand auf Hopeland .
    Entschlossen verdrängte Sophie die Gedanken an die Schwägerin und die tristen Erinnerungen, die ihr immer wieder die gute Stimmung zu verderben pflegten. »Lass uns hinuntergehen und frühstücken«, sagte sie und stand auf. »Wenn wir uns beeilen, sind wir noch vor der Mittagshitze in der Stadt.«
    Hopeland lag östlich von Kapstadt, etwa drei Stunden Kutschfahrt musste man einkalkulieren, um zu dem weitläufigen Besitz zu gelangen. Karl konnte sich noch gut daran erinnern, dass er als kleiner Junge die Fahrten in die Stadt als Abenteuer empfunden hatte. Wenn sein Vater ihn mit zum Hafen nahm, war dies für Karl immer wie ein Ausflug in eine andere Welt gewesen. Die fremden Gerüche, die Menschen aus vielerlei Nationen, die durch die Straßen liefen oder sich in den Kneipen trafen … exotisch war das für Karl gewesen.
    Auch heutzutage war die Gegend nahe am Wasser noch ein Kosmos für sich. Kleine Häuser standen dicht an dicht; teilweise waren sie windschief oder drohten zu verfallen, da sie noch aus dem
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