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Das Paradies liegt in Afrika

Das Paradies liegt in Afrika

Titel: Das Paradies liegt in Afrika
Autoren: Elfie Ligensa
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dann traten noch ein paar andere Paare auf die improvisierte Tanzfläche. Sie reichte von dem kleinen Saal im Westflügel bis zur Terrasse, die sich weitläufig dahinter erstreckte. Lampions erhellten den Platz, die Blumenkübel, die seitlich der Terrasse standen, waren beiseitegeräumt worden, so dass die Ballroben der Damen keinen Schaden litten, wenn sie sich schwungvoll im Kreis drehten.
    Die Stimmung war hervorragend, alle unterhielten sich bestens. Man sprach dem exzellenten Wein zu, der reichlich floss.
    Kurz vor Mitternacht gab Karoline den Hausmädchen ein Zeichen, die Sektgläser zu füllen. Für den heutigen Abend hatte sie aus Frankreich einige Kisten echten Champagner liefern lassen und gemeint: »Wenn wir ihn nicht an diesem Abend trinken – wann dann?«
    Die Kapelle spielte einen langsamen Walzer, doch es waren nur wenige Paare, die noch tanzten. Immer häufiger sahen die Gäste verstohlen zur Uhr, freudige Erwartung erfüllte die beiden festlich geschmückten Säle. Ein neues Jahrhundert begann, ein Jahrhundert, das unendlich viele Neuerungen versprach. Schon jetzt verblüfften Techniker, Ingenieure und Mediziner mit faszinierenden Erfindungen. So fuhren bereits ein Dutzend Automobile durch die Straßen Kapstadts. Es gab den Kinematographen, mit dem man bewegte Bilder auf die Leinwand werfen konnte. Ein deutscher Arzt namens Röntgen hatte eine Möglichkeit gefunden, feste Materie mit Strahlen zu durchleuchten. Beinahe jeden Monat erfuhr man von einer neuen Erfindung. Man durfte gespannt sein, was das anbrechende neue Jahrhundert noch alles bringen würde.
    Â»Wo Olivia und Victor nur bleiben? So spät sollten sie nun auch nicht kommen.« Karoline schaute zum wiederholten Mal zur Tür. »Es wird doch nichts passiert sein?«
    Â»Aber nein! Sie werden gewiss noch vor Mitternacht eintreffen.« David, selbst etwas besorgt, versuchte, die Ängste seiner Frau zu zerstreuen. »Komm, gleich ist es so weit.« Er sah sich in der Runde um, alle Gäste hielten ihre Gläser in den Händen, die Kapelle spielte die letzten Takte. Dann begann der Dirigent, die letzten zehn Sekunden des Jahres abzuzählen, und alle fielen ein.
    Mit einem lauten Paukenschlag verkündete er dann: »Prosit Neujahr 1900 ! Heißen Sie mit uns das neue Jahrhundert willkommen!« Dann hob er den Taktstock, und die Kapelle spielte »God save the Queen«.
    Als der letzte Ton verklungen war, prosteten sich Karoline und David zu, sie tauschten einen innigen Kuss.
    Â»Ich wünsche dir Glück und Gesundheit, mein Herz«, sagte David.
    Â»Ich liebe dich«, flüsterte Karoline, dann wandte sie sich ihren Gästen zu und trank mit ihnen auf das neue Jahrhundert. Die Kapelle spielte die Champagnerarie aus Johann Strauß’ berühmter Operette »Die Fledermaus«, und schon drehten sich erneut einige Paare im Takt der Musik.
    Gerade wollte der Gouverneur die Gastgeberin zur Tanzfläche führen, als Victor hereinstürmte. Ohne auf die Gäste zu achten, eilte er auf seine Mutter zu und umarmte sie.
    Â»Victor!« Lachend sah Karoline ihn an. »Was ist passiert? Du bist ja ganz außer dir!« Sie musterte ihn kurz. Seine Weste war falsch geknöpft, das Hemd zerdrückt, die Krawatte gelockert.
    Â»Olivia … das Baby ist schon da!«, stieß er hervor. »Denk dir nur – gerade wollten wir losfahren, als die Wehen einsetzten. Es ging alles so schnell … Sie ist wundervoll, meine Olivia!« Dankbar griff er nach einem Glas Champagner, das ihm David reichte.
    Â»Sag schon – was ist es denn?«, drängte Karoline. »Und vor allem: Sind Olivia und das Baby wohlauf?«
    Inzwischen waren auch viele der Gäste aufmerksam geworden, ein lockerer Kreis bildete sich um die Gastgeber.
    Victor nickte. »Wir haben eine Tochter«, verkündete er in die Runde, und stolzer als er konnte kein Vater lächeln. »Sie soll Hannah heißen.«
    Â»Ein Mädchen! Eine kleine Hannah, wie wundervoll.« Karoline traten Freudentränen in die Augen. »Dann lasst uns noch einmal anstoßen«, rief sie in die Runde. »Auf das Baby!«
    Alle taten ihr Bescheid.
    David legte ihr zärtlich den Arm um die Schultern, als er sein Glas hob, und sagte: »Auf das neue Jahrhundert! Und auf die Frauen von Hopeland !«
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