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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt
Autoren: Marc Buhl
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Morgen.
    Mit dem Öl einer zweiten Nuss rieb er sich ein. Ein Schwarm grauer Papageienvögel flog über ihn in den Wald. Noch lange hallte ihr Krächzen nach. Im Osten sank die Sonne orangerotviolettblau und war innerhalb von wenigen Minuten verschwunden. Kurz glühte das Meer noch, der erste Stern erschien über der Westseite der Insel, die Milchstraße und darin das Kreuz des Südens. Die Luft war erfüllt von einer stillen Freude. Er hätte sie gerne mit Walter geteilt.
    Gemeinsam waren sie durch ganz Deutschland gewandert, hatten in den Wäldern übernachtet und Gedichte gelesen, geschworen, nie wieder Fleisch zu essen, Dienst geleistet in der Strafkompanie, Eichen umarmt im Jungborn und Anna. Walter Letztere allerdings leider mehr als er selbst. Er hätte jetzt hier sein sollen, groß, bärtig und brummig. Ganz nett, hätte Walter gesagt, genügend Sonne, aber wo sind die Mädels? Aber gerade darum ging es auf dieser Insel: das Paradies ohne Schlange und ohne Frauen. Der Freund war in der grauen Nebelwelt geblieben wegen Anna, die sich Naturheilkundige nannte und überall freigiebig und ungefragt homöopathische Mittelchen verteilte, auch ihm selber hatte sie geistige Starrheit attestiert, das erkenne sie an seinen engen Schläfen, und dass er dringend Sulphur nehmen müsse, in höchstmöglicher Potenz, Sulphur oder Apis, hatte sie gesagt und mit den Augen eines Tieres ihn nicht angesehen, sondern durch ihn hindurch, dass ihn schauderte, aber das machte sie bei allen, ein stierer Blick durch das jeweilige Gegenüber, und manche wurden schwach, auch er selber war schwach geworden und hatte abends an Annas Tür geklopft, aber sie war nicht im Zimmer gewesen oder hatte ihm nicht geöffnet. Er hätte auch nicht gewusst, was er hätte sagen sollen. Vielleicht, dass er nicht so starr sei, wie sie glaube, oder er hätte gefragt, ob sie nicht nach draußen kommen wolle, taufrisch die Wiesen, am Himmel der Mond, nur sie beide. Er hätte ihr stundenlang Mondgedichte rezitieren können, Füllest wieder Busch und Tal still mit Nebelglanz, lösest endlich auch einmal, meine Seele ganz, während sie barfuß im Gras gegangen wären oder Es war, als hätt der Himmel die Erde still geküsst, für die halbe Nacht hätten die Gedichte gelangt. Wenn ihm die Worte ausgegangen wären, hätte Anna sicher gewusst, was sie hätten tun können, das ahnte er, doch sie war nicht da gewesen oder hatte nicht geöffnet. Am nächsten Tag sah er sie Hand in Hand mit Walter beim Lichtbaden, und der Freund hatte ein Tuch um die Hüften gelegt, damit man nicht gleich sah, wie es um ihn stand.
    Engelhardt legte sich auf den Strand. Noch war es warm und würde es bleiben. Im Westen stieg das Zodiakallicht hinauf, ein leuchtender Keil, der sich schließlich über den ganzen Himmel spannte. Vom Palmenwald her kam der lang gezogene Ruf des Paradiesvogels. Die Wellen des Meeres wiegten die Insel ganz sanft, er konnte spüren, wie sie sich hob und senkte, den Schlag ihres Herzens. Er war im Glück.

Der Weiße ist gekommen und geblieben und wird sterben. Vorher sieht ihn keiner an. Die Ahnen des Weißen werden sonst misstrauisch. Immer wieder verschwinden Weiße: Händler, Missionare, Pflanzer und Seeleute. Meistens passiert nichts. Hin und wieder kommen andere Weiße und verbrennen die Hütten und Felder der Stämme, in denen sie die Mörder vermuten, aber die Häuptlinge der Weißen sind fern, und schon lange haben sie hier keinen Polizisten gesehen. Nur Knochen darf man nicht herumliegen lassen. Den Schädel wird Kabua in einen Ameisenhaufen stecken und später eine Maske daraus schnitzen. Die Männer sind ruhig und konzentriert wie immer, wenn es ans Jagen geht, und warten, bis der Mond hoch am Himmel steht. Sie haben nur wenig getrunken, das tun sie später, wenn sie sehen, wie das Herz des Weißen in der offenen Brust schlägt. Sie folgen Kabua auf dem Pfad durch den Kokoswald.
    Der Weiße ist nicht der erste Aufseher, den man ihnen geschickt hat. Vor vielen Jahren ist schon einmal einer gekommen. Er hat sich ein Haus bauen lassen und starb kurz darauf an Fieber. Der Zauberer hat ihn getötet. Den nächsten ließ der Zauberer ertrinken. Der dritte hielt es nicht aus und floh, bevor er sterben musste. Sie haben das Haus geplündert und angezündet. Dann ist lange keiner gekommen. Der Zauberer hat einen Kreis aus Liedern um die Insel gelegt, sodass es keiner gewagt hat, bis jetzt.
    Sie werden ihn riechen. Die Weißen stinken, sauer und kränklich wie
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