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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas
Autoren: Fred Vargas
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Ministerium übrigens mit Sorge betrachtet wurde.
    Ein Bier noch, und dann würde er sich wegen Sonia keinen Kopf mehr machen. Er hätte ihr auch von seiner großen Armee erzählen können, ungefähr hundert Männer und Frauen, auf die Verlaß war, ein Blick in jedes Departement, und dazu noch etwa zwanzig in Paris, Minenräumung kann man nicht allein betreiben. Sonia wäre vielleicht geblieben. Mist.
    Nehmen wir also eine Fliege. Die Fliege ist ins Haus geflogen und macht alle wahnsinnig. Tausende von Flügelschlägen in der Sekunde. So eine Fliege ist tüchtig, aber sie macht einen wahnsinnig. Fliegt in alle Richtungen, läuft so mir nichts, dir nichts an der Decke herum, kommt überall hin, wo sie nicht hin soll, und findet vor allem auch noch den winzigsten Honigklecks. Sie fällt allen auf den Wecker. Genau wie er. Er fand den Honig dort, wo alle dachten, gut saubergemacht und keinerlei Spur hinterlassen zu haben. Honig oder Scheiße, natürlich, einer Fliege ist alles gleich. Die idiotische Reaktion besteht dann, die Fliege rauszuschmeißen. Das ist der Fehler. Denn was macht die Fliege, kaum ist sie draußen?
    Louis Kehlweiler bezahlte sein Bier, nickte allen zu und verließ die Bar. Er hatte nicht die geringste Lust, nach Hause zu gehen. Er würde sich auf Bank 102 setzen. Ganz zu Anfang hatte er vier Bänke gehabt, jetzt waren es 137 plus 64 Bäume. Seitdem er über diese Bänke und Kastanien verfügte, hatte er haufenweise Sachen aufgeschnappt. Auch das hätte er erzählen können, aber er hatte widerstanden. Es goß jetzt in Strömen.
    Denn was macht die Fliege, kaum ist sie draußen? Sie macht ein paar Minuten blöd rum, das versteht sich von selbst, und dann paart sie sich. Und dann legt sie Eier. Danach hat man Tausende von kleinen Fliegen, die größer werden, blöd rummachen und sich dann paaren. Also gibt es nichts Inkonsequenteres, als eine Fliege loswerden zu wollen, indem man sie rauswirft. Man muß sie drinnen lassen, sie ihre Fliegensachen machen lassen und sich in Geduld fassen, bis sie alt und müde wird. Während eine Fliege draußen Bedrohung und große Gefahr bedeutet. Und diese Trottel hatten ihn rausgeworfen. Als ob er aufhören würde, kaum daß er draußen wäre! Im Gegenteil, es würde noch schlimmer kommen. Und natürlich konnten sie sich nicht erlauben, mit einem Lappen nach ihm zu schlagen, wie man es bisweilen mit einer Fliege tut.
    Unter prasselndem Regen kam Kehlweiler in Sichtweite von Bank 102. Gutes Gelände, direkt gegenüber dem Wohnsitz des Neffen eines sehr verschwiegenen Abgeordneten. Kehlweiler konnte aussehen wie jemand ziemlich Heruntergekommenes, das wirkte bei ihm recht natürlich, und so ein großer, verwahrloster Körper auf einer Bank machte niemanden mißtrauisch. Nicht einmal, wenn dieser große Körper mit langsamen Schritten eine kleine Bespitzelungstour unternahm.
    Er blieb stehen und verzog das Gesicht. Ein Hund hatte sein Gelände versaut. Dort, auf dem Baumgitter, am Fuß der Bank. Louis Kehlweiler mochte es nicht, wenn man ihm seine Standorte verpestete. Er wäre beinahe umgekehrt. Aber die Welt war wüst genug, und er würde nicht vor einer lächerlichen Hundescheiße zurückweichen.
    Mittags hatte er auf dieser Bank gegessen, und das Gelände war unberührt. Jetzt, am Abend, war eine Frau abgehauen, hatte ein erbärmlicher Brief auf dem Bett gelegen, hatte es ein durchschnittliches Ergebnis beim Flippern und ein verdrecktes Gelände gegeben, und es herrschte vage Hoffnungslosigkeit.
    Zuviel Bier heute abend, durchaus möglich, er behauptete nicht das Gegenteil. Und kein Mensch auf der Straße bei diesem strömendem Regen, der zumindest die Bürgersteige, die Baumgitter und den Posten 102 reinigen würde; vielleicht auch seinen Kopf. Wenn Vincent ihn richtig informiert hatte, bekam der Neffe des Abgeordneten seit ein paar Wochen Besuch von einer obskuren Person, die ihn interessierte. Er wollte mal sehen. Aber heute abend kein Licht in den Fenstern, keinerlei Bewegung.
    Er schützte sich unter seiner Jacke vor dem Regen und schrieb ein paar Zeilen in ein Notizheft. Marthe sollte ihres beseitigen. Um es richtig zu machen, müßte man es ihr mit Gewalt entreißen. Marthe war – kein Mensch würde es glauben – die schönste Animierdame des gesamten 5. Arrondissements gewesen, nach allem, was man ihm erzählt hatte. Kehlweiler warf einen Blick auf das Baumgitter. Er wollte aufbrechen. Nicht, daß er zurückwich, aber es reichte für diesen Abend, er
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