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Das Orakel von Antara

Das Orakel von Antara

Titel: Das Orakel von Antara
Autoren: Gabriel Galen
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letzte Hoffnung ... nur durch ihn ... Antara kann nur durch ihn gerettet werden ... mein Pferd ... unter dem Sattel ...“
    Phyrras’ Lippen bewegten sich noch, doch seine Stimme versagte. Dann erschlaffte der Griff seiner Hände und er fiel auf das Lager zurück. Und dann schaute Loran nur noch in die gebrochenen Augen eines Toten.
    Während Phyrras sprach, war Mara erwacht und hinter Loran getreten. So hatte sie den Schluß des Berichts mit angehört. Nun schlug sie entsetzt die Hände vor den Mund.
     
    „ Oh, ihr Götter!“ stöhnte sie. „Mussten ausgerechnet wir diejenigen sein, denen diese Verantwortung aufgebürdet wird? Waskors Sohn! Wie sollen ein einfacher Bauer und sein Weib ein Fürstenkind erziehen? Und wie sollen wir ihn vor den Gefahren schützen, die ihn bedrohen? Oh Loran, dieser Aufgabe sind wir nicht gewachsen! Wir müssen jemand anderen finden, der Yorn bei sich aufnimmt.“
     
    Nachdenklich sah Loran sie an. Dann zog er sie an sich und strich ihr aufmunternd über das nachtdunkle Haar, das vom Schlaf zerzaust über ihre Schultern bis zur Taille hing.
     
    „Nein, das geht nicht, Mara!“ erwiderte er dann. „Wollten wir ihn jemand anderem anvertrauen, gäbe es schon wieder einige Leute mehr, die sein Geheimnis kennen. Je mehr Menschen aber von seiner Herkunft wissen, umso größer ist die Gefahr, dass ihn jemand verrät. Sieh mal, Phyrras war verwundet, als er mit Yorn floh. Selbst wenn die Moradonen herausbekommen, wen er auf seiner Flucht mitnahm, so werden sie doch glauben, Phyrras und der Knabe seien im Schneesturm umgekommen. Niemand weiß doch, dass wir ihn fanden. Wir werden den Knaben als unseren eigenen Sohn aufziehen! Das wird keinem auffallen, denn ich war das letzte Mal vor Revens Geburt in den Ansiedlungen flussabwärts, und niemand weiß, ob du einen oder zwei Knaben geboren hast.
    Wächst Yorn nun als unser Sohn auf, wird er zumindest vor Verrat sicher sein, wenn wir ihm auch nicht die Erziehung geben können, die ihm gebührt. Wenn er mit der Güte der Gö tter sein zwanzigstes Jahr erreicht hat, werden wir ihm seine Herkunft enthüllen. Von da an muss er dann seinen Weg gehen, den ihm das Schicksal weist. Solange werde ich jedoch alles tun, was in meiner Macht steht, um ihn vor allem Übel zu bewahren. Bedenke, auch wir gehören zum Volk der Antaren, und somit ist unser Schicksal mit dem seinen untrennbar verknüpft.“
     
    „Aber er scheint einige Wochen älter zu sein als Reven“, warf Mara immer noch skeptisch ein. „Und dann - du vergisst die Tätowierung! Wie willst du sie erklären? Und wie willst du erklären, dass dein einer Sohn die Königsnarben trägt und der andere nicht? Du weißt, was demjenigen droht, der diese Zeichen fälscht.“
     
    „Auch gleichgeborene Kinder sind sich nicht immer ähnlich“, beruhigte Loran sein Weib, „und in wenigen Monaten wird der Altersunterschied kaum noch sichtbar sein. Und was das Zeichen anbelangt - auch in Revens Haut werde ich es einschneiden. Und Yorns Tätowierung ist noch so frisch, dass man nach einiger Zeit nicht mehr erkennen wird, dass einer der Knaben das Zeichen später erhielt als der andere. Nur wenige Menschen wissen, wie das Königsmal aussieht. Hätten wir es denn gewusst, wenn Phyrras uns nicht gesagt hätte, was die Narben bedeuten?“
     
    „Aber bringst du damit nicht auch Reven in Gefahr?“ fragte Mara bang. „Was, wenn ihn darum jemand für Waskors Sohn hält?“
     
    „Wer kümmert sich schon um die Schmucknarben eines Bauernburschen?“ verwarf Loran ihre Bedenken. „Es bleibt dabei, Mara! Ab heute bist du die Mutter zweier Söhne. Und sei ehrlich, so unangenehm ist dir das nicht, denn ich habe ja gesehen, wie du den hübschen kleinen Kerl angesehen hast.“
     
    Über Maras sanftes Gesicht zog ein zärtliches Lächeln. „Du hast Recht!“ sagte sie. „Ich liebe ihn jetzt schon, zumal ihm ein solches Unglück widerfahren ist und er keine Eltern mehr hat. Ich werde ihm all meine Liebe schenken, um ihm ein wenig von dem zu ersetzen, was er verlor.“
     
    Loran zog sie fest in seine Arme. „Was für ein Glück ich habe, dich gefunden zu haben!“ flüsterte er in ihr Ohr. „Und was für ein Glück für Yorn und die Antaren!“ Dann schob er sie sanft von sich und sagte: „Aber nun muss ich Phyrras' Leiche im Wald unter dem Schnee verbergen, damit niemand sie findet. Wenn der Boden wieder aufgetaut ist, werde ich ihn an einem verschwiegenen Platz begraben. Und ich muss sein Pferd suchen.
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