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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd
Autoren: Stephen Fry
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Begrenzungsgraben hinab, wo Simon und ich gerade Davids Körper hinlegten. Soda leckte ihm die Erde vom Arm und jaulte wie ein rostiges Tor.
    »Was ist das für ein Verband?« fragte Michael. »Da ist ja Blut dran! Was in Gottes Namen wollte er sich antun?«
    »Macht euch deswegen keine Sorgen«, sagte ich.
    »Er atmet nicht«, klagte Annie. »Michael, seine Augen sind zu, und er atmet nicht.«
    Davids Arme lagen neben seinem Körper, Simon ergriff den einen, ich den anderen. Wir hoben sie hoch und zogen sie hinter Daveys Kopf zurück. Das taten wir mehrere Male, erst langsam und dann in immer schnellerem Rhythmus. Dann legte Simon seine Handflächen auf Davids Brust und stützte sich mit voller Wucht darauf, stieß und stieß. Annie begann zu weinen.
    Schließlich schüttelte Simon den Kopf, hielt mit der einen Hand seinem Bruder die Nase zu und öffnete ihm mit der anderen den Mund. Er beugte sich hinab und blies ihm in die Lungen.

IV
     
     
    »He, verdammt noch mal, trödelt nicht so rum, ihr beiden«, knurrte ich. »Ich bin schon zehn Minuten zu spät.«
    »Dann laufen wir eben«, sagte Roman. »Jawohl, Sir, dann laufen wir den Scheiß eben.«
    »Genau, du Arsch. Dann laufen wir den Scheiß eben.« Sie drängelten mich beiseite und liefen den Bürgersteig hoch, bogen links ab und verschwanden in der Great Marlborough Street.
    Als ich sie drei Minuten später einholte, schwangen sie um einen Laternenpfahl vor der Rückseite von Marks and Spencer herum und sahen, als ich auf sie zukam, mißbilligend auf imaginäre Armbanduhren.
    »Ich bin da drüben«, sagte ich. »In dem Haus da. Wird nicht länger als ’ne halbe Stunde dauern.«
    »In der Oxford Street ist ein McDonald’s«, sagte Davey. »Genau, können wir rübergehen und uns ’n Big Mac holen?«
    »Zehn Big Macs.«
    »Ach, komm schon, Dad. Es ist die letzte Ferienwoche.«
    »Ja, ja, ja. Jammert mir nicht die Ohren voll. Hier…« Ich gab jedem einen Fünfer. »Und kotzt nicht auf die Straße.«
    »Du kommst dann nach. Gleich vorn in der Oxford Street.«
    »Bis dann …«
    Ich überquerte die Straße und drückte auf den Summer. »Ted Wallace; für Lionel Greene.«
    »Erster Stock.«
    Greene konnte mir nicht viel sagen. Nichts, was mirMichael als Testamentsvollstrecker nicht schon erzählt hätte.
    »Der Nachlaß besteht insgesamt aus dem Anwesen in South Kensington, vierhunderttausend Pfund in Aktien und einer Einlage von hundertdreißigtausend Pfund bei der Filiale der Courts Bank in Chelsea.«
    »Hört sich nach ziemlich viel an.«
    »Würden Sie es vorziehen, wenn die Aktien verkauft werden?«
    »Weiß nicht.« Spendete ich alles einer Leukämiegesellschaft, würde ich es am Ende bereuen. Große Gesten sind ja schön und gut, füllen aber keine Bäuche. Außerdem würde es so selbstgefällig und schmierig aussehen.
    »Als Alleinbegünstigtem liegt das ganz in Ihrem Ermessen.«
    »Ja. Ich weiß.«
    »Und das Haus, Mr. Wallace? Werden Sie das verkaufen?«
    »Wohnen möcht ich da bestimmt nicht«, sagte ich. »Sie müssen mal die Tapete sehen.«
    »Des weiteren bin ich gehalten, Ihnen diesen Brief auszuhändigen«, fuhr Greene fort und reichte mir einen Umschlag. Die Handschrift war entsetzlich, und ich brauchte einige Zeit, bis ich ein einziges Wort entziffern konnte. Greene drehte sich diskret beiseite, damit ich unbeobachtet lesen konnte.
     
    Lieber Ted,
    es tut mir so leid. Ich verstehe nicht, was schiefgelaufen ist. Du mußt Davey zu mir ins Krankenhaus schicken. Ich bin plötzlich sehr schwach. Es macht keinen Sinn. Es macht absolut keinen Sinn.
    Die Ärzte sagen, daß es die Leukämie ist, aber wir wissen,daß das nicht der Fall sein kann, nicht wahr? Wir wissen, daß sie einen Fehler gemacht haben müssen.
    Dank für all Deine Briefe und dafür, daß Du Dich mit ganzem Herzen in die Arbeit gestürzt hast. Ich lag richtig, Dich zu schicken, und ich habe nicht vergessen, daß wir eine Abmachung hatten. Ich habe ein neues Testament gemacht, das die Schwestern bezeugt haben. Nimm das Geld dafür, Daveys Gaben der Welt bekanntzumachen.
    Komm, sobald Du dies empfangen hast, mit Davey her. Er wird es in Ordnung bringen.
     
    Alles Liebe
    Jane
     
    »Soweit ich weiß«, sagte Greene, »starb sie kaum eine halbe Stunde, nachdem sie das geschrieben hatte. Sehr traurig. Ich hatte einen Bruder, der an Leukämie gestorben ist. Entsetzlich.«
    »Wirklich entsetzlich«, sagte ich und erhob mich.
    »Nur zwei Sachen noch, bevor Sie aufbrechen, Mr. Wallace. Ich
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