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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd
Autoren: Stephen Fry
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Harpo rüber, wo Sie mir auch ’ne Nachricht hinterlassen und Ihre professionelle Einschätzung loswerden können, so wenig die wert ist.
     
    E. L. W.

EINS
     
     
    Tatsache ist, ich war gerade von meiner Zeitung gefeuert worden, irgendein rasendes Gefasel von wegen, ich hätte bei einer Premiere Beleidigungen aus dem Parkett geschrien.
    »Theaterkritik sollte aus in Bedachtsamkeit gebildeten Urteilen bestehen«, hatte mein nasser Furz von einem Chefredakteur gequiekt, der noch immer von den Wellen des Gezeters und Gequengels zitterte, das Schauspieler, Regisseure, Produzenten und (wie nicht anders zu erwarten) aufgeblasene feige Tugendbolde von Kritikerkollegen per Fax und Telefon den ganzen Vormittag lang über ihm ausgekippt hatten. »Sie wissen, daß ich zu meinen Leuten halte, Ted. Sie wissen, daß ich Ihre Arbeit schätze.«
    »Davon weiß ich nicht die Bohne. Ich weiß, daß Leute, die klüger sind als Sie, Ihnen gesagt haben, daß ich eine Edelfeder an Ihrer schmierigen Kappe bin.«
    Ich wußte auch, daß er zu der Sorte weibischer kleiner Wichte gehörte, die man in Foyers und Theaterbars im ganzen West End in ihre Gin and Tonics blöken hört, »ich gehe ins Theater, um mich zu amüsieren«. Das sagte ich ihm ebenfalls und noch ein paar Takte.
    Ein Monatsgehalt, tiefes Bedauern, die Telefonnummer einer halbseidenen Reha-Klinik, und meine Feder war wieder auf dem Markt.
    Wenn Sie ein halbwegs anständiges menschliches Wesen sind, sind Sie zu Ihrer Zeit wahrscheinlich auch irgendwo gefeuert worden … Schule, Sitz im Ausschuß, Sportmannschaft, Ehrenmitgliedschaft eines Komitees, Club, Satanistengruppe,Partei … irgendwas. Sie kennen dieses Gefühl freudiger Erregung, das in einem aufsteigt, wenn man aus dem Büro des Direktors stürzt, sein Schließfach ausräumt oder die Stifthalter vom Tisch fegt. Es hat keinen Sinn, die Tatsache zu leugnen, daß wir alle uns unterschätzt fühlen: Offiziell gesagt zu bekommen, daß wir nicht mehr zuständig sind, bestärkt unser Gefühl, von einer hartherzigen Welt nicht für voll genommen zu werden. Eigenartigerweise stärkt diese Erfahrung das, was Psychotherapeuten und die Trüffelschweine in den Medien unser Selbstwertgefühl nennen, weil sie beweist, daß wir die ganze Zeit recht hatten. Es stellt sich in unserer Welt selten genug heraus, daß man bei irgend etwas recht hatte, und es bewirkt Wunder für die
amour propre
, selbst wenn paradoxerweise gerade unser Argwohn richtig war, daß jedermann uns sowieso für Hautverschwendung hält.
    Ich bestieg die Fähre, die die überflüssige Strecke zwischen Zeitungsland und dem wahren London befährt, und sah zu, wie das Gebäude des »Sunday Shite« in die Höhe wuchs, als wenige Knotenlängen zwischen uns und die düsteren Docklands gebracht wurden, und weit davon entfernt, Trübsal zu blasen oder mir verarscht vorzukommen, schwoll große Erleichterung in mir, und Fröhlichkeit wie vor den großen Ferien stieg in mir auf.
    Zu solchen Zeiten, und nur zu solchen Zeiten, kann eine Tochter ein wahrer Segen sein. Da es inzwischen halb eins war, würde Leonora sich schon ihren Weg in den Harpo Club gestöckelt haben. Wahrscheinlich wissen Sie, welchen Laden ich meine – den richtigen Namen kann ich nicht nennen, Anwälte sind nun mal Anwälte –, Drehtüren, große Bar, bequeme Sessel, Restaurants, im großen und ganzen erträgliche Kunst an den Wänden. Tagsüber clevere Verleger und was man früher so Mediahedin nannte; nachtsder letzte Keucher der gestrigen Boheme von Soho und angespülter Schwipsträger, die in dem Privileg Trost suchen, vom ersten Keucher der morgigen Ration aufgesogen zu werden.
    In der hinten gelegenen Bierstube umarmte, becharmte und beschrillte mich Leonora – nicht gerade mein Vorschlag, ein Name, der Ihnen alles Nötige über die läppische Mutter des Kindes verrät.
    »Daddee! Was bringt denn dich schon im Tageslicht hierher?«
    »Wenn du deine glitschige Zunge aus meinem Ohr nimmst, erzähl ich’s dir.«
    Wahrscheinlich dachte sie sich, daß eine ein wenig berühmte Tochter und ihr noch ein wenig weniger berühmter Vater, die auf solche Weise ihre unbekümmerte Zuneigung bekunden, bei den bürgerlichen Angehörigen ihrer Generation mit eingeklemmtem Schwanz Neid und Bewunderung hervorriefen, die ihre Eltern alle Jubeljahre mal zum Tee in Hotels trafen und nicht im Traum daran dachten, mit ihnen in aller Öffentlichkeit zu fluchen, zu rauchen und zu saufen. Typisch die verdammte Leonora;
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