Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
übers ganze Land verstreut gibt es Pubs, wo drei Generationen ganz normaler Familien jeden einzelnen verschissenen Abend zusammen fluchen, rauchen und saufen, ohne je auf den Gedanken zu kommen, daß sie einfach sensationelles Glück haben, eine einfach so famos fabelhafte Beziehung zu ihren wunderbaren Daddies zu haben.
    Ich ließ Rothmans und Feuerzeug auf den Tisch fallen und das Bankpolster sich aufblähen wie ein römischer Kaiser, als ich mich setzte. Der übliche Abschaum schlug die Augen nieder, als ich den Raum in Augenschein nahm. Ein paar Schauspieler, ein namenloser Haufen Werbefuzzis, die Schwuchtel, die auf Channel Four Architekturprogrammemoderiert, zwei rougebeschmierte alte Schachteln, die wohl Rockstars waren, und vier Frauen an einem Tisch, von denen die eine Verlegerin war und die ich alle nach oben mitnehmen und mehr oder minder rabiat mit meinem Schwanz aufspießen wollte.
    Leonora, die ich nie hatte aufspießen wollen, den Göttern sei’s gedankt in diesen unversöhnlichen Zeiten, sah dünner aus und hatte glänzendere Augen als je zuvor. Hätte ich nicht gewußt, daß es gerade out war, hätte ich angenommen, daß sie unter irgendwelchen Drogen stand.
    »Was soll denn das alles?« fragte ich und griff nach einem tragbaren Kassettenrekorder, der vor ihr auf dem Tisch lag.
    »Um eins mach ich ein Porträt von Michael Lake«, sagte sie. »Für ›Town & Around‹.«
    »Von dem Hochstapler? Sein Getröpfel in drei Akten dünngepfiffenen Ausflusses ist der Grund, warum ich hier bin.«
    »Was möchtest du damit besagen?«
    Ich erklärte die Lage.
    »O Daddy«, stöhnte sie. »Du bist der Gipfel! Ich hab am Montag eine Pressevorführung gesehen. Ich finde, es ist ein absolut brillantes Stück.«
    »Natürlich findest du das. Und deswegen bist du eine Tratschthementippse, die sich die Zeit damit vertreibt, Dunstschwafel für snobistische Hochglanzmagazine zu rülpsen, bis eine reiche, pseudoaristokratische Tucke kommt und dich als Zuchtstute fordert, während ich mit all meinen Fehlern ein Schriftsteller bleibe.«
    »Na, im Moment bist du kein Schriftsteller, oder?«
    »Ein Adler in Fußriemen ist immer noch ein Adler«, verkündete ich im Brustton der Überzeugung.
    »Und was machst du jetzt? Auf Angebote warten?«
    »Weiß ich nicht, mein alter Schatz, aber eins weiß ich.Ich muß deine Mutter vom Hals haben, bis ich das geklärt habe. Ich bin schon zwei Monate im Rückstand.«
    Leonora versprach zu tun, was in ihrer Macht stehe, und ich machte mich aus dem Staub der Bierstube, falls der Lakescheik zu früh dran war. Dramatiker stehen noch weniger als andere darüber, dich mit gutem Wein zu benetzen oder dir schlechte Haken zu versetzen, wenn der Billigmüll, den sie vor einem gutgläubigen Publikum ausgekotzt haben, als das bezeichnet wird, was er ist.
    Ich setzte mich an die Bar und behielt den Spiegel direkt vor mir im Auge, der einen guten Blick über die durch die Eingangstür hinter mir Hereinströmenden gewährte.
    Die Mittagsgäste zwitscherten um die Bar herum und warteten auf ihre Schnorrer beziehungsweise Gönner; der Tagesduft der Frauen und das durchs Fenster einfallende Sonnenlicht erzeugten eine Atmosphäre, die sich so sehr von dem finsteren, flackernden Nimbus unterschied, der nachts über dem Laden hängt, als würden wir uns in einem anderen Raum eines anderen Jahrzehnts einen auf die Lampe gießen. In Amerika, wo die Spelunken oft unter der Straße liegen wie die niedliche Bar in dieser grauslichen Fernsehserie, die sie tagtäglich auf Channel Four wiederholen, wird eine Tagesatmosphäre absolut verbannt. Der Schlucker, denke ich mal, soll nicht daran erinnert werden, daß es da draußen eine Welt gibt, in der gearbeitet wird, sonst bekommt er womöglich noch Schuldgefühle wegen seiner Sauferei. Genau wie für immer mehr Etepetete-Europäer gehört für Amerikaner das Trinken in dieselbe Kategorie wie Glücksspiel und Hurerei: ein Geschäft, das man im Dunkeln erledigt. Was mich angeht, ich schäme mich nicht und werde nicht in die Toskana oder Karibik ausbüchsen, um mir ohne Schuldgefühle im Sonnenlicht die Kappe vollzuschießen. Das macht mich zum Freak ineiner Welt der Mittagspausen, wo die Feuer alles Vinösen mit spritzigen Mineralwassern gelöscht und die Lohen alles Herzhaften mit Balsamessig betröpfelt oder unter Decken aus Radicchio,
Lollo Rosso
und Eichblattsalat erstickt werden. Gott wir leben in arschparalysierend trostlosen Zeiten.
    Wo wir gerade beim
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher