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Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Titel: Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
Autoren: Catherine Robertson
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Selbstreflexion, aber in den vergangenen drei Wochen hatte Benedict bei ihr so viele Knöpfe gedrückt, dass sie sich fragte, ob sie in einem früheren Leben mal eine Pearly Queen gewesen war, eine dieser Kitschtussis, die ihre Kleider über und über mit Perlen bestickten. Sein versnobter Akzent, seine gespielte Coolness, sein selbstgefälliges Gehabe– solche Typen hatte Aishe schon in allen Bars dieser Erde gesehen, und sie alle hatten sich unter ihrer aalglatten Fassade als winselnde, rückgratlose Muttersöhnchen entpuppt. Das waren keine Männer. Und schon gar nicht Männer, auf die man sich verlassen konnte.
    Was sie ebenfalls rasend machte, war, dass Gulliver und Benedict sich von Anfang an verstanden hatten. Ein weiterer Hinweis dafür, dass Bleichgesicht noch kein Mann, sondern ein Jüngelchen war. Trotzdem konnte sie kaum mit ansehen, wie ein Fremder jetzt in den Genuss des unbeschwerten, heiteren Umgangs mit ihrem Sohn kam, der bis vor kurzem noch ihr vorbehalten war. In letzter Zeit, dachte Aishe reumütig, scheinen Gulliver und ich uns nur noch wegen Belanglosigkeiten wie T-Shirts zu streiten. Andererseits bin ich seine Mutter. Ich bin ihm lebenslang verbunden. Während Benedict Heuschrecke Hardy gegen wöchentliche Barzahlung hier ist und nach Ende des Schuljahrs verschwinden wird.
    Drei Wochen sind schon um, dachte Aishe. Bleiben nur noch acht Monate.
    » Okay, ich bin weg«, sagte sie zu den beiden. » Da warten Hunde und Katzen auf mich, die von Schwachköpfen getrennt und an Leute mit ein bisschen Hirn vermittelt werden müssen. Um sechs komme ich mit Tacos zurück. Willst du auch welche?«, fragte sie in einem Ton, der die meisten zu einer raschen Ablehnung veranlasst hätte.
    » Danke gern«, sagte er lächelnd. » Am liebsten mit Huhn.«
    » Klar«, sagte Aishe und sah ihn vielsagend an. » Gott behüte, dass du blutendes Fleisch isst.«
    Sie schnappte sich ihren Wagenschlüssel und wies damit wie mit einem Schwert auf den immer noch unberührten T-Shirt-Stapel am Fuß der Treppe.
    » Ja, ja, ja.« Gulliver drehte die Augen gen Himmel.
    Aishe verkniff sich eine bissige Antwort und lächelte. » Danke«, sagte sie. » Ich weiß deine Hilfe zu schätzen.«
    Das sollte dir zu denken geben, Bleichgesicht, dachte sie, als sie die Haustür hinter sich zuzog und zum Wagen ging. Niemand unterstellt, Aishe Herne wäre eine schlechte Mutter, und kommt damit durch.
    Im Haus warf Benedict Gulliver einen Blick zu. » Ich schlage vor, wir machen erst eine Stunde Mathe und eine Naturwissenschaft, und dann versuchen wir gemeinsam ›Die lange Nacht des Trosts‹ auf Halo zu spielen. Wenn wir uns konzentrieren, sollten wir früh genug fertig sein, dass die Xbox noch abkühlt, bevor deine Mutter um sechs Uhr wiederkommt und ihre Hand drauflegt.«
    Gulliver runzelte die Stirn. » Hat sie dir gesagt, dass sie es kontrolliert?«
    » Nein, aber wir beide wissen doch, dass sie es tut, oder?«
    Der Junge zuckte die Achseln. Benedict fiel auf, dass seine Schulterblätter irgendwie zu groß und knochig wirkten unter dem grauen T-Shirt mit der obskuren Aufschrift Area Man. Benedict erinnerte sich noch gut an die Phase, in der seine Gliedmaßen in unterschiedlichem Tempo gewachsen waren und man unfehlbar wie ein Vollspasti aussah und sich bewegte. Einmal waren seine Beine so lang und dünn gewesen und sein Kopf im Vergleich dazu so groß und blond, dass er, wie einer seiner Freunde freundlich anmerkte, aussah wie ein Snookerqueue vor der weißen Kugel.
    » Ich hol den Laptop.« Gulliver sprang wieder die Treppe hinauf.
    Während er weg war, ging Benedict zum Bücherregal im Wohnzimmer und betrachtete die Fotosammlung darauf.
    » Warst du nicht süß?«, sagte er grinsend zu Gulliver. » Und auf diesem hier ziemlich, ziemlich sehr nackig.«
    Gulliver reichte ein einzelner Finger als Antwort.
    » Und wer sind diese kleinen Schlingel hier?« Benedict nahm ein silbergerahmtes Bild in die Hand.
    » Mum und ihre Brüder. Und ihre Schwester.«
    » Eine Tante und drei Onkel«, sagte Benedict. » Siehst du sie oft? Ich nehme an, sie wohnen alle noch in Blighty?«
    » Ich hab sie nie kennengelernt«, erwiderte Gulliver. » Oder doch, warte. Einen von ihnen schon. Diesen hier…« Er zeigte auf einen kleinen, dunklen Jungen, das einzige Kind, das nicht lächelte. » Aber ich kann mich kaum noch an ihn erinnern, weil ich damals erst sechs oder sieben war.«
    » Warum besucht ihr sie denn nicht?«, fragte Benedict. » Ist die Reise zu
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