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Das Netz Der Grossen Fische

Das Netz Der Grossen Fische

Titel: Das Netz Der Grossen Fische
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letzten Zimmer auf der rechten Seite.
    Die Tür stand offen. Das Zimmer war nur ganz schwach von einem Nachtlicht erhellt, denn Giulia schlief nie in völliger Dunkelheit. Er lehnte sich an den Türrahmen und betrachtete sie.
    Sie schlief tief und fest, auf der rechten Seite, die rechte Hand unter der Wange, den linken Arm längs am Körper ausgestreckt. Ihr musste warm gewesen sein, denn das Laken war zur Seite geschoben, ihr Nachthemd war hochgerutscht, sodass ihre Beine nicht mehr bedeckt waren. Sie atmete ruhig und in gleichmäßigen Zügen. Neben ihr lag ein Buch auf dem Bett. Sie musste lange auf ihn gewartet und dabei gelesen haben, doch dann hatte sie der Schlaf übermannt.
    Michele stand eine halbe Stunde da und betrachtete sie reglos, er atmete den ganz leicht in der Luft liegenden Duft ihres speziellen Badezusatzes ein, den sie immer schon verwendet hatte.
    Dann ging er in das Zimmer, das früher einmal sein Büro gewesen war, schloss die Tür und schaltete das Licht an. Es war noch exakt im gleichen Zustand, in dem er es verlassen hatte; von Massimos Zwischenstation fand sich nicht die geringste Spur. Er nahm ein Blatt Papier, schrieb »ti amo« darauf, knipste das Licht aus, dann kehrte er zum Schlafzimmer zurück, ging hinein, legte das Blatt auf das Kopfkissen neben Giulia, ging wieder den Korridor entlang, blieb auf dem Treppenabsatz stehen, schloss die Tür, nahm den Aufzug und verließ den Palazzo.
    Die Stadt erwachte allmählich. Er hielt ein vorbeifahrendes Taxi an und holte sein Auto ab. Dann fuhr er zum Residence-Hotel zurück, sagte dem Portier, dass er nicht vor elf Uhr geweckt werden wolle, und legte sich endlich hin.
    Doch nach einiger Zeit musste er das Kissen wechseln, denn es war durchnässt von seinen Tränen.
    Die vormittägliche Redaktionssitzung war bereits vorüber, als er ins Büro kam, und er bat Cate, Marcello Scandaliato zu ihm zu rufen.
    »Was wirst du heute sagen?«
    »Es scheint mir unumgänglich, in der ersten Meldung auf die Tatsache hinzuweisen, dass alle Zeitungen und alle örtlichen Fernsehsender Nino Sacerdotes Ernennung zum Vorsitzenden der Banca dell’Isola als gesichert ansehen.«
    »Hat der Vorstand das Kommuniqué herausgegeben?«
    »Ja. Es besagt, was wir bereits wussten, nämlich dass das neue Vorstandsmitglied Sacerdote ist, der von seinem Amt als Generalsekretär der Regionalversammlung zurückgetreten ist.«
    »Gibt’s was Neues im Fall der Ermordung seiner Tochter Amalia?«
    »Der Oberstaatsanwalt hat die Ermittlungen übernommen, und Di Blasi ist zurückgetreten, wie er es ja schon angekündigt hatte. Es kursiert das Gerücht, dass der Oberstaatsanwalt morgen alle Anschuldigungen gegen Manlio fallen lassen will. Sollen wir das erwähnen?«
    »Ich würde es schon erwähnen. Natürlich auf deine bewährte Weise, ohne jede Übertreibung. Und gibt es irgendwelche Nachrichten von Lo Bue?«
    »Nichts.«
    »Was wirst du über Filippone sagen?«
    »Dass die Finanzpolizei die Papiere prüft, die sie beschlagnahmt hat. Es heißt, er hätte sich schon ins Ausland abgesetzt, aber man weiß nichts Genaues. Wie soll ich mit dieser Meldung verfahren?«
    »Erwähne die Durchsuchung, erkläre, worin das Vergehen besteht. Heb das deutlich hervor. Allen muss klar sein, dass einer, der sich Geld der Europäischen Union unter den Nagel reißt, ein Gauner ist. Aber erwähne seine Flucht ins Ausland nicht.«
    »Einverstanden. Alles in Ordnung mit dir, Michè?«
    »Wieso?«
    »Du müsstest dich mal sehen!«
    »Letzte Nacht hab ich kein Auge zugetan. Ich hab wohl irgendwas gegessen, das mir nicht bekommen ist.«
    Als die Mittagspause näher rückte, wurde er zusehends nervös. Warum hatte Giulia sich nicht gemeldet? Wetten, dass sie das Blatt, das er auf das Kissen neben sie gelegt hatte, überhaupt nicht bemerkt hatte? Nein, das konnte nicht sein. Wenn sie es übersehen hatte, dann hätte es ganz sicher die Haushaltshilfe beim Bettenmachen gefunden und ihr gegeben. Verunsichert rief er im Residence-Hotel an.
    »Gab es irgendwelche Anrufe für mich?«
    »Keinen, Dottore.«
    Das bisschen Appetit, das er verspürt hatte, verging ihm aufder Stelle. Er beschloss, im Büro zu bleiben, und bevor Cate zum Essen ging, bat er sie, ihr Telefon auf die Direktleitung umzuschalten. Doch Giulia rief ihn nicht an.
    Um fünf Uhr, als die Redaktionssitzung gerade begonnen hatte, kam Cate herein.
    »Entschuldigen Sie, Dottore, aber Sie müssten bitte mal rüberkommen.«
    »Was gibt’s denn?«,
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