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Das Netz Der Grossen Fische

Das Netz Der Grossen Fische

Titel: Das Netz Der Grossen Fische
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seiner Größe und seines Umfangs erhob er sich aus dem Liegestuhl, ging auf seine Tochter zu und umarmte sie.
    »Das ist das größte Geschenk, das du mir zu meinem Siebzigsten machen konntest.«
    Giulia hatte ihm tags zuvor anvertraut, sie sei im dritten Monat schwanger. Dann ließ er seine Tochter mit glänzenden Augen los und umarmte Michele.
    »Und wirst du dich, wenn ich Großvater werde, endlich dazu durchringen, mich Papà zu nennen?«
    Bei den letzten Worten brach seine Stimme. Dann trat er, fast als würde er sich seiner Rührung schämen, zwei Schritte vor, steckte eine Hand in die Tasche und betrachtete, mit dem Rücken zu ihnen, das Meer. Ein breiter und immer noch aufrechter Rücken. Giulia und Michele gingen nicht zu ihm. Es war deutlich, dass er in diesem Augenblick allein sein wollte. Und weiterhin mit dem Rücken zu ihnen, sagte er:
    »An diesen Ort zurückzukehren wird für mich von Mal zu Mal schmerzhafter.«
    »Warum, Papà?«
    »Zu viele Erinnerungen, mein Kind. Zu viele. Erinnerungen tun weh, ganz gleich, ob es schöne sind oder schlimme.«
    Er machte eine Pause und sprach dann weiter.
    »Wisst ihr, als ich ein kleiner Junge war, kam ich ganz früh morgens hierher, zog meine Badehose an, watete bis zur Brust ins Wasser und fischte mit dem Zurrnetz.«
    »Was ist denn das?«, fragte Giulia.
    »Das ist ein glockenförmiges Netz, oben geschlossen und unten offen, mit einer ziemlich weiten Öffnung, die ringsum mit Bleikügelchen beschwert ist. Du lässt es mit erhobenem Arm kreisen und wirfst es dann aus. Das Netz, das wie ein offener Schirm aufs Wasser auftreffen muss, wird durch die Bleikügelchen nach unten gezogen. Irgendwann zieht der Fischer dann an einer Kordel, und der untere Teil des Netzes wird zusammengezogen. Und drinnen sind die Fische eingeschlossen. Ein guter Fang.«
    Er feixte ein bisschen und redete dann weiter.
    »Die dümmsten und langsamsten Fische natürlich nur, denn die schlauesten und wendigsten schießen rechtzeitig davon, wenn sie das Netz herabsinken sehen.«
    Wieder eine Pause. Und danach, so als würde er ein Selbstgespräch führen:
    »Ich muss Basurto fragen, ob er ein Zurrnetz für mich auftreiben kann. Ich würde es gern mal an einem der nächsten Morgen ausprobieren. Auch wenn ich bestimmt aus der Übung bin.«
    »Ich bin mir sicher, das bist du nicht«, sagte Michele.

Anmerkung
    Unter dem Stichwort »romanzo« im »Dizionario della lingua italiana« von G. Devoto finde ich den historischen Roman folgendermaßen definiert: erfundene Elemente in einen bestimmten Zusammenhang gebracht .
    DAS NETZ DER GROSSEN FISCHE soll – zumindest ist das meine Absicht – ein historischer Roman sein, wenn auch einer der eher aktuellen als der zeitgenössischen Geschichte.
    Welche sind dann also die historischen Elemente in ihm und welche die erfundenen?
    Ich will gleich sagen, dass das historische Element ein Ereignis ist, an das sich viele italienische Leser sicher erinnern: das Verbrechen von Garlasco, über das Zeitungen und Fernsehen in aller Ausführlichkeit berichtet haben, die Letzteren sogar mit Sondersendungen, Expertenrunden, Diskussionen und dergleichen. Dem Verlobten einer in ihrer Wohnung ermordeten jungen Frau, die kurz zuvor erst ihr Staatsexamen abgelegt hatte, wird nach langen Verhören die Benachrichtigung zugestellt, dass gegen ihn strafrechtlich ermittelt wird. Diese Benachrichtigung wird sehr bald schon in Untersuchungshaft umgewandelt, die der Haftrichter aber nicht bestätigt. Allerdings wird gegen den Verlobten weiterhin ermittelt.
    So war die Situation, als ich meinen Roman fertig geschrieben hatte. Das war das historische Element, das Ausgangsthema.
    Was sind dagegen die erfundenen Elemente? Die Antwort ist einfach: alles Übrige. Dazu will ich gleich sagen, dass ich noch nie einen Fuß in irgendeine Nachrichtenredaktion der RAI gesetzt habe, weder auf regionaler noch auf nationaler Ebene, es sei denn in meiner Eigenschaft als Interviewpartner; daher habe ich keine Ahnung, wie eine solche Redaktion intern funktioniert. Und ich habe, ehrlich gesagt, auch keine Lust gehabt, mich darüber zu informieren. Ebenso wenig habe ich jemals an einer Sitzung der Regionalversammlung teilgenommen; daher weiß ich auch nicht, wie diese Versammlung strukturiert ist, aus wie vielen Abgeordneten sie besteht, ob sie einen Generalsekretär hat oder wie der Raum aussieht, in dem sie tagt. Also weiß ich darüber weniger als nichts. Auch die Welt der Banken ist mir
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