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Das Nebelhaus

Das Nebelhaus

Titel: Das Nebelhaus
Autoren: Eric Berg
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bist?«
    »Ja, genau die. Wir sind aber nicht nur rumgezogen. Clowns ziehen rum, wir haben Ernst gemacht.«
    »Und dieser Timo kommt auch? Hältst du das für eine gute Idee? Immerhin warst du damals …«
    »Das war vor fünfzehn Jahren, Mama. Ich bin jetzt seit zwei Jahren glücklich mit Steffen zusammen.«
    »Leonie, versprich mir, dass du mich anrufst, wenn es Schwierigkeiten gibt. Egal um welche Uhrzeit. Versprich mir, dass du sofort wieder abreist, wenn …«
    »Ich verspreche alles, was du willst, wenn du mich jetzt mit deinem Geschnatter verschonst. Bis nächste Woche also. Ich rufe an, wenn ich zurück bin.«
    Fünf Minuten später – sie war bereits um die erste Kurve gefahren – hielt sie am Straßenrand an und griff hektisch nach der Handtasche, die auf dem Beifahrersitz lag.
    Pistole, Schmerzmittel, Streichhölzer, Lexotanil.
    Facebook hatte es möglich gemacht. Drei Wochen vor der Fahrt nach Hiddensee, an einem verregneten Sommertag, war Timo auf die Idee gekommen, ein bisschen im Langzeitgedächtnis zu kramen, um seine Laune zu heben. Er hatte einige längst vergessene Namen hervorgeholt, sie eingetippt und in Nullkommanichts erfahren, was aus den Menschen dahinter geworden war. Philipp arbeitete als Architekt, Leonie als Kindergärtnerin. Timo selbst war Autor. Philipp war total begeistert davon, dass Timo ihn »gefunden« hatte, weshalb er ihn und Leonie nach ein paar Tagen des Hin-und-Her-Chattens in sein Haus auf Hiddensee einlud. Noch vor fünfzehn Jahren, als sie eine Clique der besonderen Art gebildet hatten, wäre das Wiederauffinden Verschollener ein zeitraubendes, mühsames Unterfangen gewesen, und spontane Treffen waren fast unmöglich.
    Yasmin gehörte ebenfalls zu der Ex-Clique, war aber weder Mitglied bei Facebook noch bei anderen Plattformen. Philipp und Leonie ließen im Chat durchblicken, dass sie auf Yasmin verzichten konnten, aber Timo blieb dran. Er fand, dass das Treffen nur halb so reizvoll sei, wenn einer von ihnen fehlte, und behauptete, dass ihn die Frage, was aus Yasmin geworden sei, beschäftigte wie ein Name, der einem partout nicht einfallen will, auch wenn er im Grunde keine große Bedeutung hat. Also recherchierte er aufwendig, bemühte alte Kontakte und fragte sich durch.
    Am Tag vor der geplanten Abfahrt nach Hiddensee hatte er Yasmin noch immer nicht aufgespürt und war deswegen ein bisschen traurig. Sein Gerechtigkeitsempfinden war gestört. Nur weil Yasmin nicht im Internet aktiv war, sollte sie ausgeschlossen bleiben – dabei verdankten sie es letztlich ihr, dass sie sich damals überhaupt kennengelernt hatten. Am Vorabend kam dann doch noch der entscheidende Hinweis.
    Timo machte sich sofort auf den Weg und fand Yasmin auf einer Decke unweit des KaDeWe, umgeben von gleichaltrigen und jüngeren Frauen und Männern mit bunten Haaren und schläfrigen Hunden. Yasmin stach aus der Gruppe heraus, indem sie die anderen lebhaft unterhielt. Das hatte sie immer schon gerne getan: reden – und dabei wild gestikulieren wie eine Komödiantin.
    Timo hatte bei ihrem Anblick gelächelt wie über ein nach Jahrzehnten wiedergefundenes Souvenir, und ihr erst einmal zwei Minuten aus der Ferne zugesehen, bis er sie angesprochen hatte.
    »Abgefahren«, sagte Yasmin, kaum dass sie in Leonies Auto die Stadtgrenze passiert hatten. Leonie hatte Yasmin und Timo abgeholt. »Das ist so was von abgefahren. Ich kann’s noch immer nicht glauben, dass ich mit euch hier sitze. Versteht ihr? Mit euch . Ich hätte nie gedacht, euch in diesem Leben noch mal wiederzusehen. Wir hätten uns nicht aus den Augen verlieren dürfen. Wie so etwas immer kommt? Freundschaften kann man gar nicht genug haben. Die Philosophen behaupten, dass alles, was man braucht, in einen Koffer passen sollte, das sei gut für die Seele. In Freundschaften hingegen soll man tüchtig investieren. Aber das ist leichter gesagt als getan, oder? Dass wir alle vier es nicht geschafft haben, den Kontakt zu halten – unglaublich. Das darf nicht noch einmal passieren. Ich gelobe hiermit, achtsam zu sein. Oh Mann, ich …«
    Yasmin schossen die Tränen in die Augen, die sie verschämt wegwischte.
    »Danke, Timo, das hast du echt toll hingekriegt. Und wie hartnäckig du nach mir gesucht hast …« Sie beugte sich vom Beifahrersitz zum Rücksitz und nahm Timo in die Arme.
    Der war so gerührt von der Anerkennung, dass er rot wurde.
    »Yasmin, pass doch auf«, sagte Leonie. »Ich komme ja gar nicht mehr an die Gangschaltung.«
    »Du
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