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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel
Autoren: Christian Ditfurth
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unwohler wurde ihm in der Magengegend. Er erinnerte sich wieder an Scheffers Satz: Wie der Vater, so der Sohn, und ärgerte sich, aber nicht über den Satz, sondern über sich, dass es ihm etwas ausmachte. Der Stiefvater, er ließ sich Roland nennen,war ein Waschlappen gewesen, er hatte von Anfang an unter Mutters Knute gestanden, versuchte es allen recht zu machen und machte es niemandem recht. Er war Verkaufsleiter einer Textilladenkette in München, und Theo fragte sich, je älter er wurde und je besser er die Verhältnisse durchschaute, wie man ohne Rückgrat überhaupt irgendetwas werden konnte. Als Theo seine pubertäre Rebellionsphase hatte, tauchte Roland ab, verließ das Zimmer, sobald es Streit gab, versuchte zu schlichten, wo er hätte entscheiden müssen, verharmloste im Nachhinein alles und handelte sich schließlich Theos unauslöschbare Verachtung ein. Damals fragte er die Mutter oft nach seinem Vater, und die Mutter arrangierte es endlich, dass sich Theo und Henri sporadisch trafen, Henri, weil er es als seine Pflicht ansah, und Theo, weil er seinen Vater suchte. Aber der lud den Sohn nie zu sich nach Hause ein, immer sahen sie sich woanders, im Café, Restaurant, einmal auch in Hellabrunn, immer blieb eine Distanz zwischen ihnen. Und der Kontakt brach für eine Weile ab, als Theo mit dem Studium begann und sich erwachsen fühlte. Erst als er sich für einen Beruf entscheiden sollte, tauchte Henri wieder auf.
    Der Laster zog mit provozierender Trägheit auf die rechte Spur. Theo gab Gas. In Bad Krozingen verließ er die Autobahn, das Navigationsgerät führte ihn nach Staufen, in die Weingartenstraße. Er war tatsächlich zum ersten Mal hier, und als er vor dem Grundstück bremste, fragte er sich, wie sich sein Vater ein Haus in dieser Lage leisten konnte.
    Die Haustür war metallbeschlagen mit auf alt getrimmten Ornamenten. Doch Theo sah an den massiven Schließbolzen im engen Spalt zwischen Tür und Türrahmen gleich, dass sich hinter dem Kitsch hochmoderne Sicherungstechnik verbarg. An dieser Tür würden sich selbst Profieinbrecher umsonst abarbeiten. Er schaute zum kleinen Fenster neben der Tür und erkannte einen zwischen den Doppelglasscheiben eingelassenen Sensor. Dann sah er unter dem Dachvorsprung einen winzigen Bewegungsmelder, gewiss nicht der einzige am Haus und in der Nähe. Im Haus musste eine hochkomplexe Alarmanlage mit eigener Stromversorgung in stalliert sein. Jetzt entdeckten seine Augen auch einen kleinen Aufkleber in einer Fensterecke, der jeden, der auch nur einen Hauch Ahnung von diesem Gewerbe hatte, abhalten würde, sein Glück zu versuchen. Arma lite Security, das Beste vom Besten, mit störungssicherer Direktverbindung zum nächstgelegenen Polizeirevier. Ein teurer Spaß, normalerweise eingesetzt bei Kunst ausstellungen oder Superreichen, die ihren Wohlstand mit der Angst bezahlten, ihn zu verlieren.
    Er klingelte. Es dauerte eine Weile, bis er Schritte hörte. Nachdem drei Schließzylinder leicht schmatzend, aber sonst kaum hörbar betätigt worden waren, wurde die Tür geöffnet. Theo war abgespannt, er schwitzte an den Händen.
    Der Vater war alt geworden, tiefe Falten auf der Stirn und an den Mundwinkeln, graue Strähnen im Haar. Blaugraue Augen. Eine gesunde Hautfarbe, leichte Bräunung.
    Aber warum bunkerte er sich ein?
    »Komm rein.« Henri streckte Theo die Hand entgegen. Theo zögerte, dann nahm er sie.
    »Hunger? Wir könnten was essen gehen.«
    »Danke, nein«, sagte Theo. »Es sei denn, du willst essen gehen.«
    Henri schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging über den dunkelgrauen Steinboden zu einer Tür, die offen stand. »Komm.« Dann: »Was zu trinken?«
    O ja, Theo hätte gern etwas getrunken.
    Über der Tür ein winziger Bewegungsmelder. Theo fragte sich, wie viele von diesen Sensoren versteckt angebracht waren.
    Theo hängte seinen Mantel an die Garderobe und folgte Henri ins Wohnzimmer. Der zeigte auf einen Sessel mit dem Rücken zu einem Panoramafenster, und Theo setzte sich.
    »Warst noch nie hier«, sagte Henri, ohne eine Antwort zu erwarten. Er bewegte sich noch immer gleichförmig, extrem beherrscht, und auch seine Stimme war ruhig. Nur das Bein zog er ein wenig nach. Theo wusste, Henri wäre auch ruhig, würde er vor einem Erschießungskommando stehen. Irgendwie erinnerte er ihn an Klein. Vielleicht hatte Klein sich an das Gehabe der Bundeswehroffiziere angepasst, von denen es beim BND wimmelte. Vielleicht hatte er auf der Suche nach einer
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